drama?

Ze Zurrealism Itzelf


make a space.

🎵

Sophia Mandelbaum. Ein Name, der irgendwann im Sommer zu mir kam. Ein Name, den ich brauchte, weil ich meinen eigenen so leid war. Sophia Mandelbaum gab nie klare Antworten; sie war die Richtige für schiefe Metaphern. Sie war schön, photoshopschön, und sie schrieb ihren Schmerz, ihre Wut und all die anderen großen Worte, die es eben brauchte, in die Welt hinaus, ganz egal, was diese Welt davon halten mochte, denn sie wusste, dass sie ohnehin nie dazu gehören würde. Dass sie nur in einem kleinen Zimmer Worte und Bilder zurechtschneiden und irgendwo in den Glasfaserkabeln nach einem Menschen suchen würde, einem Menschen, der sie retten könnte oder wenigstens lieben. Sophia Mandelbaum hat an Worte geglaubt, aber nicht an sich selbst. Immer, wenn es nicht weiter ging, kam ich hierher und erzählte Geschichten, verwischte Leerzeichen, sprang zwischen den Zeilen. Immer, wenn es nicht weiter ging, gab es hier jemanden, der zurück schrieb, der Satzanfänge mit Lächeln auffüllte. Mit allem, was ich erfunden habe, konnte ich hier ehrlich sein. Ich musste nicht funktionieren und nichts beweisen, ich habe mein Dunkel ausgelegt, mit der Halsschlagader nach oben, und ich hatte Glück: Es wurde niemand verletzt.

für M.

Das kleine Lichtrund auf meinen Fotos verriet, dass mein bisheriges Leben unter einer Schreibtischlampe stattgefunden hatte. Ich war ein Nachtkurier mit gelblicher Haut, flüsterte ins Funkgerät, ohne zu wissen, wer zuhörte. Ich war ein Tier, das im Dunkeln lebte. Unter Bettdecken und Tischen. Unter Laken, auf Linoleum. Ich hatte mir aus den Resten des Internets eine eigene Stadt zusammen geklaubt, warme Worte auf mein Kleid genäht, ein Steppbett aus Sätzen, ein Kokon aus Nullen und Einsen. Staub lag auf dem Meer an meinen Wänden. Eine Spinne krabbelte über die Wellen vor Maui, sprang auf ein grobkörniges Stück Sahara. Unzählige Male hatte ich meine Adresse hergegeben, in der Hoffnung, dass einer käme und die Leere aus mir atmet. Eine umgekehrte Wiederbelebung. Aber sie schickten bloß Karten. (Keiner von denen wusste, wie man fällt.) Du hast mir geschworen, dass das Licht nach den dunklen Jahren unfassbar sein würde. Ich habe dir nicht geglaubt. Du hast mich in deinen Briefen, in deiner fein geschwungenen Schrift mit nach draußen genommen, in den Regen, den Wind. Du hast die richtigen Fragen gestellt, aber das habe ich erst begriffen, als ich zum ersten Mal über das Blutrot der Sonne staunte. Über die unsagbare Stille der Berge. Über grandiose Blumenfarben am Straßenrand. Als ich den Kopf in den Nacken geworfen und mit dem Wind gelacht habe, der mir das Haar zerzauste. Du hast mich aus der Fassung gebracht. Im besten Sinne. Wenn ich könnte, ich würde jeden Brief an dich neu schreiben. Würde dir rechtzeitig sagen, dass du in deinem Lächeln zu viel Platz für Sorgen lässt. Dass ich mich als erstes in deine Angst vor Belanglosigkeiten verliebt habe. Dass du der schönste Mensch bist, den ich nie gesehen habe, und am schönsten warst du im Wort. Du wolltest ein Buch schreiben, und du wusstest, dass das Wichtigste die Widmung ist. Du hast jemanden geliebt, eine Liebe, die Wundbrand war. Du warst so demütig angesichts dessen, was du verloren hast. Du trugst nicht schwer an deinem Schmerz, du trugst schwer an Ungeduld, am Warten auf den Tag ihrer Rückkehr. Für diese Frau hättest du alles hinter dir gelassen. Wenn ich könnte, ich würde dir dieses Mal rechtzeitig sagen, wie gern ich diese Frau gewesen wäre. Und dass ich bis heute meine Hände nur deswegen ineinander lege, weil deine fehlt. Ich habe deine Stimme verloren, weißt du. Es ist zu lange her. Ich würde sie unter vielen nicht wieder erkennen. Aber ich wünsche mir, dass ich das nicht muss. Ich wünsche mir, dass wir uns eines Tages an irgendeinem Bahnhof gegenüberstehen, müde von der Fahrt und vom Vorfreuen, und dass ich dir sagen kann: Ich habe es damals nicht gewusst, aber du hast mir das Leben gerettet.

An schlechten Tagen ist alles klein neben der übergroßen Tatsache, dass du fort bist. An guten Tagen ist alles klein neben der Tatsache, dass ich es dich gab.

Zwei werden sich nie einig sein, was ein Moment wirklich bedeutet. Was es heißt, wenn ich meine Hand auf deine lege. Was meine stolpernden Worte bedeuten und dein Lächeln, das auf Rückzug geht. Was das Foto bedeutet, das du heimlich von mir gemacht hast, das Foto, das du still auf den Tisch legst, bevor du gehst; eine Erinnerung an bessere, schweigsamere Tage. Ich bin im Schreiben immer besser gewesen als im Reden. Manchmal denke ich, ich sollte stumm spielen, jeden Satz, der mir in den Sinn kommt, auf Notizblöcke kritzeln und zehn Mal gegenlesen, alles Überflüssige kürzen und streichen, alles, was zu sehr nach Sehnsucht klingt, nach Brauchen, nach Einsamsein, alles, was zu sehr nach mir klingt. Alles, was mich zurück an den Rand deines Lebens rückt, irgendwo dorthin, wo die unliebsamen, sperrigen Möbel stehen, die man beim nächsten Umzug zurücklässt. Irgendwo kurz vor unbekannt, irgendwo, wo ich begreife, dass Reden ein Spiel ist, das ich nicht gewinnen kann.