Version vom 03.11.2012


Text-Ansicht



post 343581808496 crawl-Datum: 03.11.2012 post Internet Archive

Ich schlafe im Gehen ein Stück; es ist, als wäre um mich herum Berlin untergegangen, die Autodächer in Blättern ertränkt, jeder Gedanke in Goldlaub erstickt. Vielleicht bin ich von einem zum nächsten Schatten gereist, auf der Suche nach einem Zweitort, Fluchtort, und hatte ich einen gefunden, blieb er ungenutzt. Damit ich daran glauben konnte, aufgehoben zu sein.

Vielleicht war ich Milchschaummensch, bleich und süß und immer kurz vorm Verschwinden. Ein Umriss, pathologisches Vokabular, ein Leben in Herzsätzen, auserzählter Verzweiflung. Das Schicksal zwingt dich nicht, tapfer zu sein, das musst du immer noch selbst schaffen. Dem Krieg in dir nicht den Krieg erklären, sondern alles mitnehmen, alles, was du bist, in der Tasche geschultert, weil es ohnehin immer bei dir sein wird. Wenn du beginnst, deine Angst anzuerkennen, wird sie eines Tages ihren Hut nehmen. Weil ihr genug voneinander gelernt habt.

Ich mochte das, Steppenwolf sein, die notorisch Unverstandene, ich mochte das, im Schreiben die Welt nachzuzeichnen, die in mir auf Grund gelaufen war. Ich wollte diese Müdigkeit nicht, die von außen kommt, von schlecht riechenden, schlecht gelaunten Menschen, von überstündigen Tagen. Ich wollte nur meine Müdigkeit, die von innen aufsteigt; ich war mir Feind genug. Ich reichte völlig aus, damit es mir schlecht ging.

Wer ernstlich krank ist, lernt, zu simulieren, am Bildrand zu bleiben; es wird immer jemanden geben, der glaubt, dass hier Rettung vonnöten wäre. Detailermittlung im Herz: den Drang niederringen, dich anzurufen. Ich würde sagen, es geht nicht ohne dich, und du würdest verstehen, so, wie du immer verstanden hast. Ich würde den Preis dafür bezahlen, von dir gefunden worden zu sein. Wir würden uns in Geborgenheit sprechen, Gefühlsgang rückwärts, aber das wäre nicht jetzt, denn jetzt ist es, als würde ich dich nicht mehr kennen.

You were home to me, but I don’t recognize your street anymore.




post 3316983426713 crawl-Datum: 21.10.2012 index Internet Archive

Mit noch verschlafenen Augen an den Ort fahren, wo wir uns zuletzt begegnet sind. Als wäre etwas eingefroren, als würdest du noch immer dort am Bahnsteig stehen, mit diesem verunsicherten Lächeln. Als ob du mich nicht glauben könntest.
Zuletzt waren wir Sommer, jetzt gibt es gelbe Blätter und Kastanien; ich sitze neben Tabakresten und der letzten Weinflasche der Saison, den Blick auf Passanten gerichtet. Jeden, der suchend zwischen den Ausgängen pendelt, will ich mit deinem Namen ansprechen. Neuerdings brennen meine Augen beim Weinen, die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit habe sich verändert, sagte der Arzt, und ich frage mich, was du sonst noch verändert hast.
Die Eisfrau hat Freizeit und telefoniert; die letzten Wespen prallen gegen ihr verwaistes Stück Kuchen. Auf den Touristenbooten stapeln sich Plastikstühle; die Enten tragen Herbstgrau und drehen ab, als sie erkennen, dass von mir nichts zu erwarten ist. Der Rasen wird für die kalten Tage kurz geschoren; kurz vor eiskalt stehe ich auf, schaue mich immer wieder um, bis die Bahn sich mit mir in Bewegung setzt. Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass jetzt die Zeit ohne dich beginnt; eine Zeit, die zeigen muss, wer wir füreinander wirklich waren. Und sind.




post 330051531759 crawl-Datum: 21.10.2012 index Internet Archivekeep me safe.

Fotograf: Pierre Horn @Schall und Schnabel.



post 3287055804713 crawl-Datum: 21.10.2012 index Internet Archive

we both know I’ll never be your lover
I only bring the heat, company under cover,
filling space in your sheets.*

Vielleicht sind wir in der Küche, knallen Salz und Pfeffer auf den Boden, presst sich der Tisch hart gegen mich. Schweißsplitter über unseren Gesichtern, in unseren Händen, die einfach tun, einfach handeln und greife. Ich bin irgendwo weit oben, keine Ahnung, wo er geblieben ist.
Zuletzt werden wir doch nur wieder zwei Klumpen Fleisch, die aneinander prallen, eine Abfolge klatschender Geräusche. Ich schieb mir die nassen Strähnen aus dem Gesicht, sein Rücken: ein Striemengeheimnis. Vielleicht habe ich chemische Formeln hinein gekratzt, eine Formel für Unglück.
Und von draußen der Quecksilbermond, metallischer Zungenbelag und dieses schrecklich gescheckte Plumeau. Vielleicht bin ich giftig, flüstere ich ihm ins Ohr, sein Seufzen verliert sich kurz vor dem Boden.
Später: ein singendes Stechen, eine einzige Signalgebung; ich stelle mir vor, dass bei jedem Schmerzintervall LED-Leuchten aufscheinen, mein Körper ein Lichtgewitter in der Dunkelheit des Zimmers. Der neue Tag wird ein déjà-vu sein, eine Folge von Pflichten, die keine sind. Keuchen mischt sich ins Atmen, ein zu schneller Loop, ich weiß nicht mehr, ob Leben oder Sterben Angst macht, aber fest steht, wer auch immer bei mir ist, darf nicht mehr weg gehen. Heute Nacht gehört mein Körper dem, der als erster danach greift; deine Chance, sage ich in sein Schnarchen hinein, deine Chance und irgendwas erreicht ihn im Traum; er runzelt die Stirn und dreht sich weg.


* lyrics from Daughter: Candles




post 3234166848621 crawl-Datum: 21.10.2012 index Internet Archive26/09

Ich steige aus der Bahn, dein Rücken verschwimmt, geht unter in der Menge und ich denke, es könnte alles auch ganz anders sein, eine neue Hand könnte nach meiner greifen und ich würde mit jemand anderem weiter gehen. Manchmal will ich in Bahnhöfen leben, an Orten, die es nicht wirklich gibt, wo all die kleinen Dinge nicht existieren, die Decken und Kissen, die Platten und Briefe, all die Dinge, die nur scheinbar Halt geben. Es bräuchte Bahnhöfe mit Schwimmbädern: die letzten Reste vom Ich abduschen und unter Wasser neue Regeln aufstellen.
Aber heute gibt es Berlin, gibt es Kurortstimmung in Friedrichshagen. Maßgeschneiderte Dinkelkuchen und Wollkostüme. Haustierreiki, Luftkristallfilter und mediale Vermittlung: Hier ist Raum für alle Überflüssigkeiten, selbst die Wespen wollen nur spielen. Wir tasten uns verschnörkelte Häuserfronten entlang, hier ist doch vor Allem Seewasser mit Möwen darauf, die ungerührt im weichen Wind schaukeln. Neben uns Berliner, die sogenannten richtigen, die auch kein anderes, besonderes Bier trinken. Auch die richtigen Berliner schauen auf den Müggelberg, als läge am anderen Ufer etwas Großes.
Trockenlegung der Blätter auf dem Boden, erste Kastanien wie aufgespießt daneben, ich lese in deinen Fußabdrücken, als wäre das unser erster Herbst. Die Enten starren, eine brotlose Kunst. Ich werfe meine Schuhe in die Luft; vielleicht ist mir der Himmel früher nicht aufgefallen, dieses überschäumende Weiß vor Blau, dieser Kugelflausch am Horizont, mit dem ich um die Wette rennen will. Aus dem Stand in die größtmögliche Geschwindigkeit: die Entfernung zwischen dir und mir kurzschließen. Ich könnte nichts mehr wollen, die Schmauchspuren der Flugzeuge würden nichts bedeuten als Elefanten im Steigflug, vertraute Unmöglichkeit. Das war vielleicht der letzte warme Tag, sagst du, der letzte warme Tag, ehe wir uns in einem Wort zusammen rollen, für den Winter.




post 3211846121330 crawl-Datum: 30.10.2012 post Internet Archive

Als ich hier anfing, sah ich aus wie ein Junge, bleich und langhaarig und an den falschen Stellen zu dünn. Ich stakste durchs Studentenwohnheim, behindertengerecht nannten sie das, dass der dunkle Flur sich ohne Treppen nach oben schraubt, eine Mischung aus Jugendherberge und Science-Fiction aus den Fünfzigern. Ich saß in der Uni und lernte, dass man nachmittags ruhig den ersten Sekt aufmachen kann und Luftgitarren ein ernst zu nehmendes Seminarthema darstellen. Das hier hätten doch Leute wie ich sein sollen, stille Stubenhocker, und dabei ging es mit dem Saufen, dem Lautsein erst los, ich saß mit Notizbuch und großen Augen in Kellern, auf Dachböden und in Seminarräumen; hätte es einen Panikknopf gegeben, ich hätte ihn nicht loslassen können. Dieses Herzrasen, als es anfing mit dem Texte vorlesen, den Kopf zwischen den Schultern nach unten geschraubt. Als es damit anfing, sich ernst zu nehmen für das, was man tut. Das Schreiben zum ersten Mal „Arbeit“ nennen.

In Hildesheim zu studieren, war, wie in Therapie zu sein. „Wie lange bist du schon hier?“ „Wie lange musst du noch?“ „Was macht dieser Text emotional mit dir?“ Manche waren vorher schon krank gewesen, manche wurden es erst, und an manchen schienst du abzuprallen: sie fläzten sich auf deinen Wiesen, stapften unverdrossen durch deinen Regen, mit ihren Hipsterjeans und Ballettschühchen, mit offenen Haaren und Hemden.

Deine Ureinwohner sind Alte, die aufs Sterben warten oder Teenager mit Zahnspangen, die sich prügeln wollen, dazwischen gibt es nichts, nichts als Studenten, die verzweifelt versuchen, sich nicht zugehörig zu fühlen und in irgendeinem Supermarkt frisches Gemüse zu finden. Alles hier schaut abgestanden aus, ich musste Kassiererinnen erklären, was Basilikum ist und hätte mich danach gern betrunken, ein weiteres Mal.

Ich litt an dir wie ein Hund und bekam Carepakete, von Freunden und Fremden, ich habe in meinem Wohnheimzimmer eindeutig zu viele Jungs geküsst und zu wenige Mädchen. Ich habe ein Menschenleben gerettet und das einer Ente nicht retten können, die deine Einheimischen umgebracht und gegrillt haben, Hildesheim, an deinem beschaulichen See, wo immer mal wieder ein Betrunkener untergeht; bescheidene Holzkreuze erzählen von René oder André, während nebenan Kopfsprünge geübt werden.

Wer die schlimmste Vorstellung von Provinz mit seinem Alter malnimmt, der weiß, wie es hier aussieht. Es läuft sich, es denkt sich wie durch Sirup durch deine Straßen und Tage und ich habe mich dafür gehasst, genau das zu brauchen, diese ins Minus gedrehte Geschwindigkeit. Ich brauchte diese drei Jahre, in denen ich lachen und weinen lernte, in denen ich aus dieser unsäglichen Taubheit klettern lernte, die mich ausgefranst hatte.

Du zwingst zur Nähe, Hildesheim, du zwingst zu ausgiebigsten Tee- und Bierstunden in WG-Küchen, weil deine Cafés, deine Clubs ihre Namen nicht verdienen. Aus Verbündeten gegen dich werden Freunde, man liegt sich hier rekordschnell in den Armen, jedes Stück Wärme wird geschluckt, damit es sich im Magen hält, auf dem Heimweg.
Hinter mir liegen drei Jahre voller guter, tiefer Gespräche, eine Tiefe, die ich in Berlin erst suchen muss, weil das hier nicht so leicht ist, in fremde Küchen zu dürfen, in den allernächsten Raum, weil man hier Mittel- und Knotenpunkte sucht, Zwischenorte, an Haltestellen gelegen.

Man wird dir nicht gerecht, Hildesheim, weil man sich an dir aufreibt, dich hassen muss und trotzdem an dir gesund wird. Und es braucht Berlin nicht, weil da alle hingehen und immer noch glauben, bei ihnen wäre das neu. Es braucht Berlin, weil ich ein Zuhause brauche, Hildesheim, und dafür taugst du einfach nicht. Ich lasse zentimeterweise Haar zurück, eine Handvoll Illusionen und die Gewissheit, dass du alles verändert hast.

Hab es gut, Hildesheim. Danke für alles.




post 2825859618218 crawl-Datum: 03.11.2012 post Internet Archive

Als hätten wir nie gelernt, miteinander zu sprechen, die Fremd-Worte zwischen uns fallen schwer von der Zunge, starren uns vom Boden aus an, verständnislos. (Vielleicht habe ich deinen Namen so oft ausgesprochen, dass er müde geworden ist.) Draußen, flügelschlagend: eine höhnische Spatzenkolonne, statt Musik der Beginn eines Erstickens, ich weiß nicht mehr, wie das geht mit dem Atmen, mit allem, mit uns. Da war doch mal Wärme, da war keine Stelle, an der es uns noch nicht gab. Unsere Freundschaft: ein Ort, wo wir nichts erklären mussten. Ein Heimatort, ein Ort gegen die Welt, und jetzt nur noch müder Trailer von gestern, grobkörnig aufgelöst.
Wir sind ökonomisch geworden, wir denken in Kategorien von Pflicht und Investition. Es gibt kein Ziel mehr, das alles aufwiegt, nur die Frage, welchen Preis wir zu zahlen bereit sind, für eine schrumpfende Handvoll gemeinsamer Nenner. (Da kommt etwas Neues, würde ein Muttermund sagen, und was, wenn das Neue, das sich auftut, nur Leere ist?) Ausatmen: Schlussmarkierung. Ich sag dir leise adieu, vielleicht hörst du es dann nicht, vielleicht höre ich es dann nicht, vielleicht ist es dann nicht wahr.

Bilddank an tranquility.



post 271362192189 crawl-Datum: 03.11.2012 post Internet Archive

Unter meiner Bauchdecke strampeln Wörter in Milchkaffee; zu unserer Sprache zählt das Verpuppen in Büchern und Mägen. Hinter uns liegt die erste Nacht, wir haben uns abgewechselt mit dem Aufschrecken, alle ein, zwei Stunden, mit dem schlaftrunkenen Griff nach der Hand des anderen. Wir haben uns damit abgewechselt, nicht glauben zu können, dass wir jetzt zu zweit sind, so richtig, mit Namen am Klingelschild, mit Kräuterkindern auf dem Balkon, wir haben uns abgewechselt mit dem Wissen, dass wir uns dafür entschieden haben, nicht mehr zurück zu können.
Scheiß auf Lebensabschnittpartner, wir schneiden uns nichts mehr ab, wir fangen jetzt an, mit unseren Mandelmusmündern, unseren Croissantkrümelhänden, wir schlagen mit den Flügeln, mit uns kommt der Sommer in die Stadt und hält sich freihändig.




post 2656803394614 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

“Mein Leben besteht von jeher aus Versuchen zu schreiben, und meist aus mißlungenen. Schrieb...

“Mein Leben besteht von jeher aus Versuchen zu schreiben, und meist aus mißlungenen. Schrieb ich aber nicht, dann lag ich auch schon auf dem Boden, wert hinausgekehrt zu werden. Nun waren meine Kräfte seit jeher jämmerlich klein und so ergab es sich doch, daß ich auf allen Seiten sparen, überall mir ein wenig entgehen lassen müsse, um für das, was mir mein Hauptzweck schien, eine zur Not ausreichende Kraft zu haben. Wo ich es nicht selbst tat, wurde ich zurückgedrängt, geschädigt, beschämt, für immer geschwächt, aber gerade dieses, was mich für Augenblicke unglücklich machte, hat mir im Laufe der Zeit Vertrauen gegeben und ich fing zu glauben an, daß da irgendwo ein guter Stern sein müsse, unter dem man weiterleben könne.”
Aus: Kafkas Briefe an Felice, S.65

http://sophiamandelbaum.de/post/26568033946 http://sophiamandelbaum.de/post/26568033946 Thu, 05 Jul 2012 19:53:24 +0200



post 263482156115 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Versuch einer Antwort

Generatoren schrieb:
“Könntest Du das Licht hier umstellen. Schon so lange berichtest Du vom Dunklen im vergehenden Jetzt, da sollte doch all das, was dichter am Jetzt ist, heller sein.”

Es war ein Text von gestern, aber sie ist noch hier, diese bleierne Unfähigkeit, zur Ruhe zu kommen. Es ist nicht wahr, dass man nur die Geister der Toten sieht. An schlechten Tagen erkenne ich sie in jedem Mienenfeld, im schlecht gelaunten Gesicht eines Bauarbeiters, im Lachen eines Kindes. Ungezählte Male hab ich sie in Flammen in mir aufgehen lassen, aber Geister sind immer neu uniformiert, sie pochen durch Brust und Bauch und kein Abschied kann mächtig genug sein.
Aber ja, es gibt dieses Jetzt, es gibt Wiesen und Spree und die Hand des Herzmenschen, mit meiner verschränkt, es gibt mehlbestäubte Stühle und klebrige Kekse, es gibt das Staunen über die neue Stadt, über wunderbaren Lärm und plötzliche Stille, Sternschnappschüsse und Frühstückskakao, Sommerwhiskey und Sushialgorithmen, es gibt ein Warten auf Schneealleen und Eisgärten, es gibt Buchfluchten und schnurrende Nachbarskatzen, es gibt Konzerte und das Gefühl, dass da jetzt etwas zu heilen beginnt, dass das mit dem Leben jetzt anfangen kann, nach all den Verzweiflungsjahren.
Im schlaflos sein bleibt es dunkel, bleibt das Gefühl, nicht genug zu sein für den Glücksfördertopf Berlin, vielleicht auch für (m)ein Leben, ganz generell, und was im Leben nicht Bestand haben kann, wird Gespenst, ruhelos.

http://vimeo.com/28646221

http://sophiamandelbaum.de/post/26348215611 http://sophiamandelbaum.de/post/26348215611 Mon, 02 Jul 2012 17:13:00 +0200



post 258717953683 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Für P.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Anfänge es gab, in meinem Kopf, in Treppenaufgängen, in Zügen und Flugzeugen, in Seminarräumen und Supermärkten, und jedes Mal sperrte sich etwas, kam ich nicht weiter, verwarf ich den Brief, den ich längst hätte schreiben müssen.
Ich durchsuche mich nach einem Vermissen, aber es ist bloß merkwürdig taub. Vielleicht wollte ich dich nicht wirklich kennen lernen, vielleicht wollte ich nur dieses Bild von dir in der Ferne, dieses Bild, das von Leerstellen zusammen gehalten wurde, dieses Bild, dem die Welt nichts anhaben konnte.
Wie oft bin ich mit deinen Briefen in der Hand durch meine Stadt gelaufen, deine Schrift mischte sich in Straßen und Wolken, in deinen Briefen bin ich sicher gewesen, und mit jedem Mal, wenn wir uns begegnet sind, habe ich ein bisschen Nähe verloren, ein bisschen Ehrfurcht vor dir. Du warst nicht der, für den ich dich gehalten, oder besser: den ich mir zurecht gedacht hatte.
Du bist der Einzige, mit dem ich je wirklich gestritten habe, mit dem es tief und böse wurde, und ich weiß bis heute nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Über sieben Jahre haben wir gekämpft, gegen- und füreinander. Und auch wenn sich das Gestern nicht abstreifen lässt, glaube ich, dass es das wert ist, dass wir das wert sind, es nochmal miteinander zu versuchen.

http://www.youtube.com/watch?v=6tdUoRBySyU

http://sophiamandelbaum.de/post/25871795368 http://sophiamandelbaum.de/post/25871795368 Mon, 25 Jun 2012 21:58:00 +0200



post 257226582712 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Der Horizont pulst notfallblau und jedes Wort hängt wie einbetoniert unter der Zunge, ich bringe...

Der Horizont pulst notfallblau und jedes Wort hängt wie einbetoniert unter der Zunge, ich bringe nichts heraus, als sei ich gerade aus der Ursuppe gekrochen und könnte nichts außer essen und kämpfen. Alles an mir ist entzündet, von den Augen bis zu den Haarwurzeln, ich will mir den Kopf abscheren, aber der Junge ist dagegen. Der Feind sitzt in dir, sagt er, du kannst ihn nicht wegschneiden; sein Mund steht schief und ich wische mir unter trockenem Himmel eine Handvoll Regen aus dem Gesicht. […]

Bilddank an tonsofland.
http://sophiamandelbaum.de/post/25722658271 http://sophiamandelbaum.de/post/25722658271 Sat, 23 Jun 2012 18:48:00 +0200



post 257073623024 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

“Da will etwas heil werden, und sei es auf Kosten unserer selbst.” Ein Essay zum Haus...

“Da will etwas heil werden, und sei es auf Kosten unserer selbst.”
Ein Essay zum Haus der Erinnerung - in der Berliner Gazette.


Bilddank an Oskar Schuster.
http://sophiamandelbaum.de/post/25707362302 http://sophiamandelbaum.de/post/25707362302 Sat, 23 Jun 2012 11:05:25 +0200



post 243316034864 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

there’s a thought that can save your life.

there’s a thought that can save your life.

http://sophiamandelbaum.de/post/24331603486 http://sophiamandelbaum.de/post/24331603486 Sun, 03 Jun 2012 16:46:28 +0200



post 241368525694 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Ihr Herznasen, ab heute gibt’s monatlich einen Text von mir bei Ocelot - dem Blog zum...

Ihr Herznasen,
ab heute gibt’s monatlich einen Text von mir bei Ocelot - dem Blog zum wunderbar(st)en neuen Buchladen Berlins. Der eröffnet übrigens am 9. Juni, kommt vorbei und feiert mit! :)

http://sophiamandelbaum.de/post/24136852569 http://sophiamandelbaum.de/post/24136852569 Thu, 31 May 2012 19:42:12 +0200



post 2401207699616 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Lichtwechsel.

Stell dir einen Kinosaal vor, in dem es niemanden gibt außer uns. Die Tiefe der Stille zwischen jedem Geräusch. Das Draußen bleibt, wo es hin gehört. Wir sitzen vorn, die Arme verschränkt, unsere Köpfe aneinander gelehnt, ein Versuch von Feuer. Lichtschnüre zu unseren Füßen und die Wände entlang, wir könnten für immer hier sitzen, denke ich, was war, wird nie aufhören, irgendwo platzen die immer selben Wunden auf, aber irgendwo öffnet sich auch immer etwas gen Morgen, irgendwo ereignet sich etwas, ereignen wir uns.
Das hier ist Zukunft, in der ich weiß, dass ich alles schon mitgebracht habe, dass alles in mir eingeschrieben war. Wen ich lieben, an wem ich verzweifeln würde. Was ich zu sagen, zu schreiben hätte. Ein Stück Zukunft, in dem mir niemand näher sein konnte als du.

Bilddank an tons of land.
http://sophiamandelbaum.de/post/24012076996 http://sophiamandelbaum.de/post/24012076996 Tue, 29 May 2012 22:00:00 +0200



post 2388775517614 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Die Lektion sterbender Menschen bleibt immer gleich. Wer stirbt, hat begriffen, dass es nichts...

Die Lektion sterbender Menschen bleibt immer gleich. Wer stirbt, hat begriffen, dass es nichts weiter braucht, als das Meer zu sehen, ein letztes, ein bewusstes Mal zu tanzen, zu küssen, im Glück unter zu gehen. Wer stirbt, erzählt den Lebenden davon, damit sie nicht den gleichen Fehler machen. Aber sie machen ihn trotzdem. Vielleicht brauchen wir es deswegen noch immer, dieses Sterben.

Bilddank an nothingpersonal.
http://sophiamandelbaum.de/post/23887755176 http://sophiamandelbaum.de/post/23887755176 Sun, 27 May 2012 23:50:00 +0200



post 234038557973 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Und dann sitzen wir auf einer Hippiedecke, auf der Brücke, von der aus man die Stadt überblickt,...

Und dann sitzen wir auf einer Hippiedecke, auf der Brücke, von der aus man die Stadt überblickt, Mojitos und Karten und Haare im Wind, und dann stolpert diese alte Frau uns entgegen und bleibt ruckartig stehen. Auf dem Rückweg ins betreute Wohnen, sagt sie, die Worte wollen nicht mehr so recht, nicht mehr so klar, weil sie den Nachmittagsausgang dazu genutzt hat, sich zu betrinken. Schön fände sie das, mit uns, sagt sie, weil sie sich vom Lachen täuschen lässt, unbeschwert, sagt sie, weil sie Lauras vernarbtes Gesicht nur von hinten sieht, weil sie nicht sehen kann, wie sehr Mel ihren Körper hassen gelernt hat und in wie vielen Kliniken ich darum gekämpft habe, heute noch am Leben zu sein. Sie sieht uns so, wie sie es braucht, um sich selbst bedauern zu können, sie sieht in uns ein Glück, das sie glaubt, nie gekannt zu haben. Mein Vater ist früh gestorben, sagt sie und wartet auf unsere Beileidsbekundungen und ich denke, das ist nicht dein ärgstes Problem, dein Problem ist, dass du nichts mehr hast, als dich an Samstagnachmittagen so zu betrinken, dass du nur noch torkeln und davon reden kannst, dass wir es auch mal schwer haben werden, dass wir daran denken sollen, jetzt schon, aber verdammt noch mal, an diesem Ort, den du uns an den Hals wünschst, sind wir längst gewesen.

Bilddank an ania.
http://sophiamandelbaum.de/post/23403855797 http://sophiamandelbaum.de/post/23403855797 Sun, 20 May 2012 10:42:00 +0200



post 220606877845 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

to the lost.

Du kannst es nicht zustopfen, dieses Leck, egal, was du versuchst, Essen hilft nicht, so wie Hungern nicht geholfen hat, nicht einmal Menschen helfen, nicht einmal dieser eine Mensch, auf den alle warten, ohne Ausnahme. Du weißt noch immer nicht, wie das gehen soll, mit dem Leben, wie das gehen soll, Dinge hin zu kriegen. Einer von den Normalen zu werden. Du stellst dir Kinder vor, lichthelle Wohnungen, gefüllte Münder und Konten. Und dagegen du, zwischen den Kissen versunken, mit deinem Schlaflosgesicht, mit deiner mühsamen Arbeit am Wort, weil du nichts anderes kannst. Die Fremde spricht sich dir zu.
Du weißt, dass du dem Gestern adieu sagen musst, aber die Straße legt sich nicht warm unter die Füße und die Stimmen von gestern sitzen dir im Genick, die Stimmen von heute, die selbst im Lachen ernst bleiben, weil sie auf das nächste “zu spät” warten, das nächste, noch unsichtbare Stück Schmerz, und das, was unsichtbar ist, macht immer am meisten Angst, unzählige Geister können davon Geschichten erzählen, lang gezogene Geschichten. während sie kalt in deine Haare atmen. Vielleicht essen Gespenster Äpfel am liebsten, das Knallen von Fruchtfleisch, Furchtfleisch im Mittelohr, und du hältst es für Kanonenlärm, du bist noch immer im Krieg.

Trink auf dich. Trink auf uns. To the lost.

Bilddank an jitt.
http://sophiamandelbaum.de/post/22060687784 http://sophiamandelbaum.de/post/22060687784 Sun, 29 Apr 2012 19:47:00 +0200



post 213835189286 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Ich altere unter Wasser, vom Stuhl nebenan tropft dein zornblau gefrorenes Wort, eine leuchtende...

Ich altere unter Wasser, vom Stuhl nebenan tropft dein zornblau gefrorenes Wort, eine leuchtende Signalspur im Mittelohr. Mit dir zu leben, heißt im Exil zu atmen. Ich war der Zufall, der dir gelegen kam; du warst mein Platz zum Schlafen.
Ich altere unter Wasser, bislang bin ich ein halb ausgereifter Charakter, ein nachlässiges Spiel mit Jetztzeit. Mein Puls pocht zu langsam, aber da ist immer noch ein Druckimpuls, die Tonart für Aufbruch. Heute pumpt mein Herz dich mit letzter Kraft auf Abstand. Ich werde das Versprechen von Freude einlösen, mit irgendwem wird es Glück geben, Waldluft, in der Morgen wurzelt, mit irgendwem wird der Schlamm von gestern von den Füßen fallen. Mit irgendwem werde ich vorwärts gehen und zuletzt, vielleicht, furchtlos sein.

Bilddank an Mikaylah Bowman.
http://sophiamandelbaum.de/post/21383518928 http://sophiamandelbaum.de/post/21383518928 Thu, 19 Apr 2012 17:57:00 +0200



post 2102647087013 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Und dann kommt der Moment, in dem die Selbstschutzmaschine, die schon auf Autopilot lief, noch ein,...

Und dann kommt der Moment, in dem die Selbstschutzmaschine, die schon auf Autopilot lief, noch ein, zwei Mal knattert und dann wird es still, dann pocht nur noch mein Herzschlag ins Ohr, zu schnell und zu blass sieht es aus, hier, am Ende des Tages. Der Blicksuchdurchlauf strandet an der Notfalltasche, dem kleinen Rucksack voller Dinge, die man braucht, wenn man sich nicht vergeben kann. Alles spielt nur noch die Rolle der anderen, die Rolle derer, die nachts nicht zerfetzt werden vom Gefühl, dass es vielleicht kein Morgen mehr gibt, dass dieser Körper endgültig zu müde ist, um ein weiteres Mal aufzustehen und in einen Tag zu gehen, der sich nicht lohnen wird, weil ich nicht dort bin, wo ich sein will. Weil niemand neben mir aufwachen wird, weil mich niemand an den Menschen erinnert, der ich gern geworden wäre. (Der Traum vom gelingenden Leben ist mein Lieblingssymptom.) Das ist der Moment, in dem ich in jedes fremde Gesicht auf der Straße schreien möchte, nimm mich mit, hol mich heim, wo auch immer das sein mag.

Bilddank an liquid meth.
http://sophiamandelbaum.de/post/21026470870 http://sophiamandelbaum.de/post/21026470870 Fri, 13 Apr 2012 17:34:00 +0200



post 2053182838814 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

für L. und die anderen.

und was, wenn ich immer noch wissen will, was du tust. und wie du es tust. wo du hin willst. wir haben uns verändert, aber wir sind immer noch internetmädchen, mit schönen fotos, die wir vorzeigen, und angst im bauch, die wir vorzeigen, aber nicht so, dass man uns verstehen könnte, wirklich verstehen. vieles ist anders und besser geworden, aber ich falle immer noch, weißt du, ich atme immer noch in diesem körper, der in regelmäßigen abständen SOS pulst und dann liege ich in meinem bett am rand der welt und versuche, mich zu erinnern, dass ich immer wieder aufgestanden bin. dass es weiter ging. ich will dir sagen, dass du mich so verdammt beeindruckt hast, mit allem, was du bist. mit deinem trotz, deiner wut und deiner freude. ich will nicht, dass du das aufgibst. ich weiß, dass du dich durchbeißen kannst, wenn du zornig genug bist. und ich will dich irgendwann mal oben sehen, in irgendeinem scheinwerferlicht, und dann will ich sagen, dass ich dich kannte. von anfang an.

http://sophiamandelbaum.de/post/20531828388 http://sophiamandelbaum.de/post/20531828388 Thu, 05 Apr 2012 18:32:00 +0200



post 204053224302 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Aus dritter Ehe deiner Adjektive entstand das Wort „unversucht“.

Aus dritter Ehe deiner Adjektive entstand das Wort „unversucht“.

http://sophiamandelbaum.de/post/20405322430 http://sophiamandelbaum.de/post/20405322430 Tue, 03 Apr 2012 14:35:00 +0200



post 194729759214 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Rorschachtest auf dem Wasser: ein halb volles Glas Enten, eine Ahnung von Fisch zwischen Blättern...

Rorschachtest auf dem Wasser:
ein halb volles Glas Enten,
eine Ahnung von Fisch zwischen Blättern und
das lang gezogene Schweigen von Ästen.
Es ist, als spannte sich Nebel unter den Wellen,
das Glitzern von oben bloß stilles Alibi.
Der Himmel ist wüstenblau und die Stadt ausgesperrt,
erst eine Welt weiter legt sich Lachen ins Ohr,
wird mein Knie Startbahn für Schmetterlinge.

http://sophiamandelbaum.de/post/19472975921 http://sophiamandelbaum.de/post/19472975921 Sat, 17 Mar 2012 22:35:00 +0100



post 193488499165 crawl-Datum: 22.09.2012 rss Internet Archive

Jedes Geräusch, das du machst, ist traurig.

Wenn du nicht nein sagst, wird es dein Körper tun. Unter meiner Bauchdecke strampeln noch immer die Wörter von gestern und jeder Tag trägt ein neues Stück Dunkel empor, einen neuen Notruf ins Blaue. (Nichts vernarbt, nie.)
Zweifel sind Ureinwohner in meinem Kopf; sie behaupten, dass ich nichts so gut kann wie enttäuschen. Mit jedem kranken Jahr sinkt die Chance auf Heilung. Unversehrt sein, die neue und alte Unmöglichkeit. Frisch geschorene Gedanken am Morgen: Ich stelle mir vor, wie sich Müdigkeit auf deiner Haut ablagert, wie du versuchst, deine Augenringe auszuwaschen. Wie du dich unter deinem Auto vergraben wirst, als gäbe es dort den Himmel zu sehen.
Das Heimweh nach Schutz erstickt jeden Raum. Meine Kraft habe ich für Sorgen verbraucht, in schlecht beleuchteten Nächten und an klebrigen Tagen. Vielleicht habe ich alles genommen, was du zu geben hast. Vielleicht bin ich Vampir geworden. Vielleicht fühle ich mich jedem unterlegen, der lebt.

Bilddank an Christina Hope.
http://sophiamandelbaum.de/post/19348849916 http://sophiamandelbaum.de/post/19348849916 Thu, 15 Mar 2012 18:10:00 +0100



post 191238917403 crawl-Datum: 03.06.2012 rss Internet Archive

Raumvolumen Herz

Als hätten wir schon immer hier gelegen, als wäre jede dunkelste Stunde nur ein Warten auf dich gewesen, jede Suchbewegung ein Hin zu dir, ich möchte in den Jahren zurück gehen und mich erinnern, dass es hell wird, da hinten, dass da mehr auf mich wartet, als nach unten zu wachsen.

Dieser Tag schwimmt hinaus, um zurück zu kommen, wenn du nicht damit rechnest. Benenn ihn nach allem, was du vergessen wirst. Greif dir ein paar raue Erinnerungen, ein paar Antworten auf Fragen, die du nicht hören willst. Denk sie nach oben, nach draußen, in die dämmernde Luft. Und hol sie nicht zurück.

Als hätte ich schon immer hier neben dir gelegen, in diesem Zimmer, diesem Raumvolumen Herz, als hätte ich schon immer gewusst, dass ich in deinem Gesicht jede Falte, jedes Runzeln wachsen sehen will, dass meine Hand in deine gehört, dass ich an deinen Schultern heimwärts lehne.

http://sophiamandelbaum.de/post/19123891740 http://sophiamandelbaum.de/post/19123891740 Sun, 11 Mar 2012 17:40:00 +0100



post 1845845542010 crawl-Datum: 03.06.2012 rss Internet Archive

Über allem Trauern den Moment verpassen, wenn die Wunde bereit ist, im weichen Gewebe des Bauches...

Über allem Trauern den Moment verpassen, wenn die Wunde bereit ist, im weichen Gewebe des Bauches unterzugehen. Platz zu machen. Über allem Schmerz von gestern vergessen, dass Dinge besser geworden sind. Über allem gerettet werden wollen nicht einsehen, dass es dafür zu spät ist. Im besten Sinn.

http://sophiamandelbaum.de/post/18458455420 http://sophiamandelbaum.de/post/18458455420 Tue, 28 Feb 2012 23:53:00 +0100



post 182072647032 crawl-Datum: 03.06.2012 rss Internet Archive

Nur ein paar stille Tage, seufzt du und lügst. Du willst nicht ohne die Gewissheit sein, dass es nur...

Nur ein paar stille Tage, seufzt du und lügst. Du willst nicht ohne die Gewissheit sein, dass es nur ein Fingerschnippen, ein paar getippte, geflüsterte Worte dafür braucht, dass etwas zerstört wird. Dass du zerstörst.
Verletzen, um wenigstens der erste zu sein, weil jeder betrügen muss, wenn die Karten gezinkt sind. Du glaubst, dass das nicht aufhört, mit dem verlassen werden, mit dem enttäuscht werden, und begreifst nicht, dass du längst die Seiten gewechselt hast. (Die Regel liebe deinen Nächsten wie dich selbst gilt genauso für Verachtung.)
Im Moment, wo etwas knackt in deinen Knochen, im Moment, wo sich die erste Störung im Herzschlag manifestiert, in diesem Moment fängst du mit dem Begreifen an. Verschluckst dich ein letztes Mal an der Wunde, die immer noch Wirklichkeit ist, auch wenn es keine Waffe mehr gibt.
Du setzt deinen Fingerabdruck auch unter diese Nacht, unter jede Stunde, die dir die Augen zuhält, du lässt es geschehen, atmest durch, lässt es dir in Ruhe richtig schlecht gehen. Du nimmst noch eine Pause von dem, was du dir schuldig bist. Es ist an dir, das Herz dieses Tages auszutauschen. Es ist an dir, wütend zu sein, wütend auf jeden Moment, in dem du es dir zu leicht gemacht hast. Vielleicht trägst du schwer im Warten auf eine Rückkehr. Vielleicht willst du zurückspulen ins Gestern, aber Gestern ist das, was dich krank gemacht hat. Der einzige, der zurück kehren muss, ist der Traum, der dich an dich erinnert.


Bilddank an Matt Austin.
http://sophiamandelbaum.de/post/18207264703 http://sophiamandelbaum.de/post/18207264703 Fri, 24 Feb 2012 22:45:00 +0100



post 180223160632 crawl-Datum: 03.06.2012 rss Internet Archive

Those were the days. Lass sie doch liegen, sagst du, sie liegen da gut, aber ich kann es nicht...

Those were the days. Lass sie doch liegen, sagst du, sie liegen da gut, aber ich kann es nicht lassen, will sauber getrennten Gefühlsmüll recyceln, da ist noch eine Ahnung, ein unverdautes Stück Enttäuschung, ein Restschmerz, in dem ich schön sein kann. (Kennt sich jeder im Leid am besten?)
Hinter der Stirn hat Medusa Zweifel ausgelegt, sie graben sich in meinen Blick, ich könnte nicht gut genug bleiben. Augenschattennächte hebeln die Wirklichkeit aus, diese ungeschmückte Welt, in der ich um Fassung ringen muss, jeden verdammten Tag.
Manchmal kann ich es noch, dann schlüpfe ich aus meiner Haut in deine, kopple meine Finger aus, öffne Herzventile - ein Herzkammerkonzert, das ich für dich gebe, für niemanden sonst. Mit dem Bass verdampft die Angst, ich sehe Medusa ins erstbeste Puppengesicht. Ihre Plastikgebärde und mein Sprung ins Fragment. Da schmeckt was neu auf der Zunge, ich begreife: Medusa zieht keinen Hut vorm Leben, sie hungert es aus. Da ist ein Fluchtpunkt an deinem Hals, ich lege meine Hand auf deinen Leberfleck und schwöre darauf, dieser Morgen ist Lichtopiat, das hier ist ein Alphamoment, es ist Zeit, dass das Gestern in Flammen aufgeht. Destroy, I say!

http://sophiamandelbaum.de/post/18022316063 http://sophiamandelbaum.de/post/18022316063 Tue, 21 Feb 2012 20:48:00 +0100



post 1733640415911 crawl-Datum: 07.07.2012 post Internet Archive

findet da ein Kribbeln statt zwischen uns,
sag, sind wir Passanten
oder sprechen wir uns einen Schritt
nach vorn?
zwischen uns ist Wetter, schlohweiß
legt es sich über die Wärme
deiner möglichen Briefe.

Fußspuren einer Fotografie: dein Sepiablick,
deine ungekämmten Augen, grobkörniger Gruß
und Morgen: ein stumpfes Gefühl.

sag, sind wir Passanten?
deine Sternzeichen nehmen sich verdammt vage aus
und dein Lachen klingt irgendwie
ökumenisch.
einen Anfang vorausgesetzt -
wann werden wir Archivgeräusch sein?


Bilddank an sofarfromnowon.



post 168632918673 crawl-Datum: 03.06.2012 rss Internet Archive

Auf wen wartest du?

Man wird allein nicht heil. Man setzt sich nicht mit einer Tasse Tee auf eine Wiese und ist froh mit sich selbst. Das Pochen und Schaben deines Atems im Schlaf braucht ein Gegenüber, braucht ein leises Schnaufen, braucht einen Arm, der sich um deine Schultern schiebt. Die Möbiusschleife Schmerz lässt sich unterbrechen, wenn jemand dazwischen geht, sein Herz ins Spiel bringt.
weiterlesen

http://sophiamandelbaum.de/post/16863291867 http://sophiamandelbaum.de/post/16863291867 Wed, 01 Feb 2012 15:04:09 +0100



post 161127531023 crawl-Datum: 03.06.2012 rss Internet Archive

Wir haben lang genug gekämpft, sagst du und wirfst die Kanonenhandbücher nach oben, in die Luft. Wir...

Wir haben lang genug gekämpft, sagst du und wirfst die Kanonenhandbücher nach oben, in die Luft. Wir desertieren von der Vergangenheit. Im Grunde sind wir Pazifisten, rufen wir den Gespenstern von gestern zu, und wenn wir wegrennen, dann nur Hand in Hand.

Ich bin dein Soldatenmädchen, ich singe, wenn du nicht schlafen kannst. Um dem zu entgehen, fällst du in den Schlaf wie in einen Abgrund. (Die schönsten Träume entstehen immer aus Notwehr.) Unter der Decke, mit dir, wird es hell. Ein paar Hand voll Wand, ein paar Reste Tapete, die Sternbilder deiner Muttermale, das reicht mir als Welt.

Uns umschnurren Moleküle, keine Streifschüsse mehr, die letzte, die beste Waffe bleibt das Wort. Wir werden auf den Händen zu euch kommen, die Füße in den Regen gestreckt. Zwischen jeder Zeile werden unsere Augen empor lugen. Wir sprengen uns durch eure Rippen, mitten ins Herz.

http://sophiamandelbaum.de/post/16112753102 http://sophiamandelbaum.de/post/16112753102 Thu, 19 Jan 2012 13:40:00 +0100



post 1541132046510 crawl-Datum: 03.06.2012 rss Internet Archive

Ich bin also die, die ihr Herz zu oft den Falschen in die Hand gedrückt hat, damit sie es mitnehmen,...

Ich bin also die, die ihr Herz zu oft den Falschen in die Hand gedrückt hat, damit sie es mitnehmen, an einen besseren Ort. Die gute Tage in großen Stücken schluckt, damit es länger warm bleibt im Magen.
Die, die dir dazwischen kommt. Die dich mit dem Mund angeht.
Die Geschichte, von der es zu viele Fassungen gibt. Die Fremde, zu der man nicht gehört, weil sie zu hartnäckig beim Verzweifeln ist. Die Witzfigur, die alle paar Wochen zu Boden geht und von Notfallmedizinern neue Diagnosen geschenkt bekommt. Die nicht oben schwimmen kann, weil sie zu lange unter Wasser geatmet hat.
Die so sehr ein Zuhause braucht, dass niemand es ihr geben kann. Die nicht weiß, wie das gehen soll, sich dem Leben aussetzen. Deren Gesicht aus Zucker ist; es verschwindet im Regen.

http://www.youtube.com/watch?v=zTGXUC5ul6Y

http://sophiamandelbaum.de/post/15411320465 http://sophiamandelbaum.de/post/15411320465 Fri, 06 Jan 2012 21:41:00 +0100



post 143692023044 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

Wenn du verzweifelst, glaubst du, das Leben begriffen zu haben, das Leben mit seinen Regeln, die...

Wenn du verzweifelst, glaubst du, das Leben begriffen zu haben, das Leben mit seinen Regeln, die gegen dich sind - und wie jeder Glaube ist auch dieser falsch.


Bilddank an feeltheeyes.
http://sophiamandelbaum.de/post/14369202304 http://sophiamandelbaum.de/post/14369202304 Sat, 17 Dec 2011 22:00:00 +0100



post 128416125184 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

Mein Name ist Pandora und ich stecke die Hände in die Manteltaschen, auf der Suche nach...

Mein Name ist Pandora und ich stecke die Hände in die Manteltaschen, auf der Suche nach Sturm.


Bilddank an Thomas Schubert.
http://sophiamandelbaum.de/post/12841612518 http://sophiamandelbaum.de/post/12841612518 Tue, 15 Nov 2011 19:00:00 +0100



post 125523987985 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

10:10

Jede Farbe beißt sich fest, wenn du dich erinnerst, dass du sie zum letzten Mal siehst. Jedes Geräusch nimmt dich in den Blick, das Licht steigt dir hell in die Nase - die schönste, klarste Warnung. Du hast nicht geschlafen, sondern Stickstoffpreise verglichen, in deinem kleinen, kalten Raum fiele Stickstoff wie ein Vorhang zu Boden, an seinem Saum lägst du, der Schlaf käme mit ruhiger Endgültigkeit, vielleicht ein Lächeln zum Schluss, die Gewissheit, dass Stille käuflich bleibt.
Der Morgen postiert sich im Kopf wie eine Armada. Schmerz im Blocksatz hinter der Stirn, von 200 Arten Kopfschmerz gehören dir heute 27, eine Nuance für jedes Jahr. Neben dir rumoren Nadeln, Doppelstockbetten für Kanülen, rumort ein Pflaster noch auf dem Arm. Der Sonograph wie ein Fossil, massiv und schweigend, das Warten auf den Schatten des Arztes in der Tür, ein Schatten, der sich in den Augenwinkeln fest wächst, ein Schatten, der bestimmt, ob du auch dieses Mal davon kommst, dich aus der Matrix geschlossener Räume und Zyklen hinaus biegen kannst. Kurs nehmen auf ein nächstes Jahr: die nautische Zielgerade. Du atmest ja noch, bewegst dich noch, auch nach Wochen, Monaten ohne Schlaf, der Schlaf zu nennen wäre; zu welcher Besinnung solltest du kommen?
Du hast dich selbst aufs Spiel gesetzt und gewonnen. Ein letztes Würgen über den Blutresten, die du zurück lässt, als Beweis dafür, dass deine Wunde Wirklichkeit ist, aber nicht mehr die Waffe.
(Du kannst noch nicht gehen, es gibt noch Dinge zu sagen, zu schreiben, es gilt noch Versprechen einzulösen, Versprechen von Freude.)

http://sophiamandelbaum.de/post/12552398798 http://sophiamandelbaum.de/post/12552398798 Wed, 09 Nov 2011 11:09:21 +0100



post 122088216705 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

05:49

Ein Vibrieren, das im Nacken beginnt, als könnte der Hals den Kopf nicht mehr halten. Ein Wandern, die Wirbelsäule entlang - aufrecht bleiben, die neue Unmöglichkeit. Ein Beben in Ober- und Unterschenkeln, darüber in Vergessenheit geraten: die blau angelaufenen Handflächen.
Als kröche etwas durch mich hindurch, pochte von innen gegen die Haut, ein Klopfen, ein Zeichen: bald. Als hätte ich nichts gelernt. Als wäre Schlaf etwas, das man sich beibringen muss. (Ich wünschte, der Wecker würde klingeln, dann wüsste ich, dass ich geträumt habe.)
Tinnitus ist ein schlechtes Wort für Signalstörungen. Schallschuss und Echo: Muskelstolpern, Herzrasen und Blütenstaub vor Augen, Strukturen schwimmen, gondeln an mir vorbei. Ich kniee am Beckenrand, der Atem taucht abwärts, als blinkte eine Münze am Grund.
Es bleibt etwas zurück, ein Begreifen vielleicht, es würde ja niemanden wundern, wenn dieses Wort Krebs Wahrheit würde, eine Silbe, mitten ins Gesicht, in den Körper geschmettert, denn was habe ich aus meinem Leben gemacht als eine zynische Bemerkung. Das Bedürfnis nach Zukunft tauchte nur noch in Behandlungsräumen auf, umgeben von Lichtern und Wörtern, die fremd bleiben müssen. Ich: eine Feier des Scheiterns. Was ist dieser Krebsverdacht mehr als eine beliebige Fortsetzung, ein nächster Versuch von Verfall.
Wunden lassen sich nicht auf Karten einzeichnen, mein Körper ist Atlas, eine Sammlung von Gesten und Worten für Schmerz. Ein Wühlen in Fußnoten von gestern und Suchen nach Messern für morgen. Ich war immer zu gut darin, mich allein zu fühlen. (Wenn ich allein bin, gibt es mich nicht.) Im Schulterblick: die verschlissenen Menschen vergangener Jahre, sauber aufgefädelt, Therapeuten, Freunde und Liebhaber, noch zuckende Reste freundlicher Worte, ungelesener Briefe und Bücher. Im Nacken: der Morgen. Vielleicht ist meine Krankheit ein Traum, der auch ohne mich weiterleben kann. Vielleicht heißt Krebs nur, dass Zellen unsterblich werden.

http://sophiamandelbaum.de/post/12208821670 http://sophiamandelbaum.de/post/12208821670 Sun, 06 Nov 2011 05:55:00 +0100



post 118232040318 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

Noch wuchert Grün an den Hängen, treiben Blätter rotblond zwischen den Wolken. Spatzen notieren...

Noch wuchert Grün an den Hängen, treiben Blätter rotblond zwischen den Wolken. Spatzen notieren hellbraun auf Oktoberblau. Unten, vereinzelt, Marderpfoten und Kornkreise, Kastanienauslage und vor Fenstern aufgeworfene Blumenmünder. Die Tür schweigt wie beiläufig. Tageskunde Sonntag: eine Handvoll verschwommener Stunden steckt noch fest in den Gliedern - Krallenreste der Woche. Der Abend bringt gequirlte Treppen und geronnenes Lächeln. Der Winter, zugereistes Gefängnis, läuft sich neben dir warm, ein ungern gesehener Gast mit herzschwerem Gepäck. Allen Gerüchten zum Trotz gab es Sommer, gibt es Musik im Ohr und die richtigen Worte, schlafend neben dir auf dem Boden. Allen Gerüchten zum Trotz gibt es Umarmungen ohne Ferne im Kopf. Verbeiß dich in dieses Jetzt; hör auf, so zu tun, als wäre morgen mehr Zeit.

http://sophiamandelbaum.de/post/11823204031 http://sophiamandelbaum.de/post/11823204031 Sun, 23 Oct 2011 18:56:00 +0200



post 109042344977 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

Wichtig ist, nie beim Anfang zu beginnen. Die Zähne hell und glatt geknirscht, unter unzählige Züge...

Wichtig ist, nie beim Anfang zu beginnen. Die Zähne hell und glatt geknirscht, unter unzählige Züge geweint – der Raum, den es gab, dieser Welt-Raum, war zu groß für mich, ich ging in jedem Tag verloren. Und jetzt: in dich eingewickelt, egal, wo wir sind, mein Blick klettert nach oben; was wir sehen, weist selten genug über uns hinaus. Und jetzt: eine Möglichkeit hinter fleckigen Fabrikhallendecken, hinter Plakatauslagen, Bremslichtergasen, hinter Stumpfastbäumen, hinter dem Seiltanz dieses Moments ist alles durchschaubar. Alles spielt eine Rolle, die Rolle der anderen, ein dunstiger Film, maximal schwarzweiß.
Und wir: fern von dieser grobkörnigen, jahrhundertelang geatmeten Luft, wir fliegen wie Pinguine unter Wasser, unsere unwegsame Welt muss nicht erklärt und nicht gerettet werden. Mit dir nur noch neues, helles Fleisch, mit dir über die alten Narben rudern, den Blick abgewandt, in eine Zeit, in der ich liebe. Wichtig ist, nie beim Anfang zu beginnen. Ich erinnere mich: nichts kann mir mehr zu nah kommen, denn da bist überall du.

http://www.youtube.com/watch?v=GTkzyyv0DuA

http://sophiamandelbaum.de/post/10904234497 http://sophiamandelbaum.de/post/10904234497 Sat, 01 Oct 2011 23:15:35 +0200



post 1073284910414 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

Cordreste

Unter der Woche reicht unser Blick bis zur Tür. Wir müssen gefasst sein auf Gamaschenweiß, auf vermessenes Magenta und bewegungsloses Gelb. Wer uns besucht, hat schlechte Nachrichten im Gepäck. Unsere Kunden haben Knopfaugen und Reißverschlussstimmen. Sie wollen unsichtbare Flicken, und sie wollen sie jetzt. Sie legen korkbraune Hosen und Rhabarberrüschenröcke auf den Tisch. Unser Nein liegt scharf unter Zungenpapier, wir können es uns nicht leisten. Schlammtöne verfolgen uns im Schlaf. Zum Trost beißen wir Butterkeksen die unsauberen Ränder ab. Dem Kaffee fehlt Milchzuversicht. Wir flicken mürrisch dünn gewordene Stellen; ungezählte Sicherheitsnadeln sind schon über Bord gegangen. Ich werfe Perlen vor deinen Saum; wir streiten um Borten und Stichlängen. Mittags pausen wir Worte vom Reißbrett und schneiden ein Lächeln zurecht. In unseren Jackentaschen klappern Notfallnadelkissen; an unseren Händen sind Stiche zu sehen.
Im Urlaub zupfen wir gedankenverloren an Tischdecken und Kellnerschürzen. Wir schließen Hotelzimmertüren, öffnen Hemd- und Blusenkragen, fühlen nichts vom Teppich, auf dem wir stehen - seine Fransen krallen sich unerkannt um unsere Füße. Das Rot deiner Baumwolle: satt wie ein erster Schluck Wein. An meinen Oberschenkeln sammelt sich Tüll. Deine Hand nimmt die erste Etappe; sie kocht alle Farben ein. Dein Kuss schmeckt nach Cordresten.
Zuhause will ich würziggrüne Karos und kokosnussweißen Samt. Wir greifen blind ins Stoffregal; nur mit geschlossenen Augen erkennen wir, was wir wollen. Wir prellen die Verkäufer um gerechte Preise, wir geben uns kühn. Kaum haben wir den Laden verlassen, greifen wir in die Taschen. Andacht im Fühlen, wir wollen es glatt und schimmernd und unverbraucht. Das Weiche ist unser Gewinn.

http://sophiamandelbaum.de/post/10732849104 http://sophiamandelbaum.de/post/10732849104 Tue, 27 Sep 2011 20:26:00 +0200



post 104376533258 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

Ihr zuckerbestäubten Orchideen: Ich habe für litradio Auszüge meines Romanprojekts...

Ihr zuckerbestäubten Orchideen: Ich habe für litradio Auszüge meines Romanprojekts “Feindberührung” eingelesen. Wenn ihr mögt, kommt mich dort besuchen.

http://sophiamandelbaum.de/post/10437653325 http://sophiamandelbaum.de/post/10437653325 Tue, 20 Sep 2011 11:12:00 +0200



post 672237262319 crawl-Datum: 19.03.2012 rss Internet Archive

Wahrscheinlich kannst du nicht fassen, wie schnell die Jahre vergangen sind, Tove, warum sollte es...

Wahrscheinlich kannst du nicht fassen, wie schnell die Jahre vergangen sind, Tove, warum sollte es dir besser gehen als mir. Wie stellst du dir mich vor? Vielleicht bin ich ein alter Bibliothekar mit Nickelbrille, der nachts die Seitenzahlen der Bücher überprüft, nicht bei Kerzenlicht, das wäre zu gefährlich. Vielleicht bin ich Waffenhändler und überschlage die Leben, die ich zu verantworten habe, wenn ich nicht schlafen kann. Vielleicht bin ich Zeitungsausträger, einer von denen, die tagsüber nicht funktionieren und nachts dafür sorgen, dass die Normalen ihren Tag wie gewohnt beginnen können. Die Normalen, mit ihren beruhigenden Frisuren, die ein Leben ohne Mobiltelefon für kompliziert halten, die für einen Strauß Blumen vier Wochen Rückgaberecht erwarten, die Normalen, die glücklich vor sich hin leben wollen, für eine bessere Statistik. Die Normalen, die ihren Kick durch Reflexion bekommen, aber verdammt noch mal, Alufolie reflektiert auch. Am stumpfsinnigsten ist es, etwas Sinnvolles tun zu wollen. Hat das Leben uns überstimmt, Tove? Reichen unsere Fünf-Minuten-Fluchten nicht mehr, die Zigarette nicht, der immer zu bittere Kaffee nicht, die Fünf-Minuten-Illusion, nur juristisch erwachsen zu sein? Hast du die Suche nach nostalgischen Metaphern für Musik durch Interpretennamen ersetzt, hast du das erste Auto gekauft, die erste Wohnung gemietet?
Hast du festgestellt, dass Reisen nicht mehr reicht, um Erinnerungen zu produzieren, und dass der Alltag schweres Handwerk ist? Der Pflichtteil heißt Träumen, Tove, und vielleicht bist du ein Versager geworden, aufgeschwemmt im bodenständigen Gefühl volljähriger Sätze. Versagen heißt, deine Traurigkeit nicht mehr zu brauchen, versagen heißt, dass alles an seinem Platz ist. Versagen heißt, dass dir die Worte ausgehen. Es gibt Wichtigeres als das Schreiben, sonst gäbe es nichts, worüber man schreiben kann, eines Tages, nicht heute. Ich schreibe nicht mehr. Das hier ist nur die Einleitung zu einem Brief an dich, Tove, eine Einleitung, mit der du mich finden kannst. Wenn du es willst.

http://sophiamandelbaum.de/post/6722372623 http://sophiamandelbaum.de/post/6722372623 Mon, 20 Jun 2011 15:59:00 +0200



post 356911355511 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

Die Stelle, an der wir angefangen haben, läuft im Repeat – ich spule nach vorn. Pflichtteil Traum:...

Die Stelle, an der wir angefangen haben, läuft im Repeat – ich spule nach vorn. Pflichtteil Traum: Wir brauchen die Wunden nur, um uns am nächsten Morgen zu erinnern, dass wir bereit waren, uns zu verletzen. Aber was verstehen wir schon vom Träumen, unsere Worte gehorchen uns nicht mal im Schlaf.
Der Alltag ist ein strapaziertes Paradies. Wir haben Urlaubsgesichter aufgesetzt, wir sind Rucksacktouristen im Land des Suffs und pilgern uns elend. Die Nacht fällt vor uns auf die Straße, unser “Wir” kriecht auf allen Vieren. Mein Körper kennt 142 Worte für Schmerz, sage ich und sehe dir zu, wie du weg schaust. Die Kompassnadel auf deiner Haut schlägt in die falsche Richtung aus. Deine Zehen sind am Boden fest getackert, an deiner Überzeugung, dass am Ende doch alles gut wird. Diese Überzeugung, die dir ein Leben, wie du es führst, nicht austreiben kann. Du weißt nicht, wie man fällt.
Hunt your karma down. Ich wurde nicht dazu geboren, mich kurz zu fassen. Ich wurde nicht geboren, um es dir leicht zu machen. Ein Herz ist kein brennbares Material. In meinem Gesicht steht ein unbeholfen gemaltes Lächeln und sagt: „Ich habe nicht gut für mich gesorgt.“ Ich wünschte, ich wäre besser im Leben. Ich wünschte, ich könnte deinen Daumen in meinen Mund schieben und schlafen.

http://sophiamandelbaum.de/post/3569113555 http://sophiamandelbaum.de/post/3569113555 Thu, 16 Jun 2011 21:18:00 +0200



post 554899603921 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

für Ron Winkler

Das Meer schickt Blaufrequenzen aus. Dieser Tag ist kein Farbfehler; wir staunen Küsten und inhalieren Wolken. Möwenrundflug statt Mittagsschlaf. Wir werden vom Wind bestürmt; unsere Sohlen erzählen sich Sandgeschichten, erzählen von Eiscreme und Sonnenkugelbäuchen. Auf unserer Decke liegen Wäschenester; Fische sind uns voraus. Wir umschwimmen die Quallen mit ihren aufgeschwemmten Gesichtern, wir betasten Muschelnähte und lassen uns von Marienkäfern trocknen; sie arbeiten im Schichtdienst auf unseren Armen. Der Horizont kocht Schiffsmeldungen ein: Heute sammeln wir Himmelsrichtungen.


Bilddank an Lucy Muskalunge.
http://sophiamandelbaum.de/post/5548996039 http://sophiamandelbaum.de/post/5548996039 Mon, 16 May 2011 20:02:00 +0200



post 519527310614 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

Notfallherz

Auf dem rosa Zettel steht „Notfall“, deswegen soll ich nicht mit den anderen fernsehen und Automatenwasser trinken, sondern auf einer Trage liegen, dem Aufnahmetresen gegenüber, in Blickweite. Weißes Papierknistern zwischen dem harten Polster und mir, Hygienevorschrift. In dieses Knistern lege ich mich, versuche, unauffällig zu atmen, als sei ich Kind und presste mich auf einen Feldboden, gefallen in einem Krieg ohne Waffen.
Die anderen werden nach und nach aufgerufen, ein Lokalgangster mit angeschossener Hand, ein kleines Mädchen mit blau geprügelten Augen, eine dicke Mutter mit noch dickerem Sohn und Magenschmerzen. Neben mir sammeln sich weitere Tragen. Festgeschnallte alte Menschen, Faltengesichter und schreiverzerrte Münder. Krankenschwestern verteilen Spritzen und barsche Worte; währenddessen schlägt mein Herz, mein Notfallherz, immer schneller und nimmt mir die Luft. Ich kann keinen Notruf abgeben, weil dafür die Luftnot zu groß ist und ich frage mich, ob es das jetzt war. Ob ich in der Sterilität eines Krankenhauses sterbe, ohne etwas zurück zu lassen, das bleibt. Immerhin: ich weine, also lebe ich noch.
Die Ärztin, die schließlich auftaucht, ist klein und pummlig, sie fragt, ob ich eine Patientenverfügung hätte oder einen Organspendeausweis und lässt mich dann auf meiner Trage in ein Dreierzimmer rollen, die Pfleger sind gesichtslos vor meinem Tränenvorhang und legen Kabelverbindungen zu piepsenden Monitoren, Monitoren, die auf mich aufpassen sollen, weil ich das offensichtlich nicht mehr kann.
Der restliche Tag unterteilt sich in Blutentnahmen, die Pflasterreste an Armen, Händen und Füßen sehen wie Vereisungen aus, eine davon herzförmig: ein Ballonherz an einer Schnur. Die zwei Frauen neben mir fallen sich gegenseitig ins Wort - wenn sie nicht von Königsfamilien sprechen, dann von Einsamkeit. Ich versuche, mir einzureden, dass das Plätschern in ihren Urinbeuteln wie ein Bach klingt und dass ihr Erbrechen vorm Frühstück nur gesund sein kann; der Toast ist ohnehin kalt und hart wie das Braun der unberührten Schränke. Wir sind verkabelt, wir können nichts außer warten. Immerhin: ich bekomme Besuch. Der Besuch sitzt neben mir auf dem schmalen Bett, unter uns Plastik, ein Schutz gegen alles, was flüssig und menschlich ist. Der Besuch legt mir seinen Kopfhörer ans Ohr, Low singen „Try to sleep“ und die Blutdruckmanschette zieht sich zusammen, lässt meine Hand ein Stück seinen Oberschenkel nach oben wandern. Mit dem Besuch neben mir kann ich schlafen. Der nächste Morgen bringt wenig Neues: Mit meinem Herz stimmt etwas nicht. Vielleicht wohnt in ihm immer noch jemand, den es nicht gibt.

http://sophiamandelbaum.de/post/5195273106 http://sophiamandelbaum.de/post/5195273106 Wed, 04 May 2011 21:20:00 +0200



post 493145126612 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

Der Wein ist clean. Wir bestellen Ente, die schwimmen und singen kann und ernten gebackenen Tofu....

Der Wein ist clean. Wir bestellen Ente, die schwimmen und singen kann und ernten gebackenen Tofu. Später feilschen wir um Sonnenbrillen und der Abend gibt uns ein Eis aus - unserem Schokoladenlächeln entkommt niemand. Auf der Oberbaumbrücke steht ein Mann im Uringestank und mixt Mojitos; ein schmerbäuchiger Engländer hält uns eine Socke unter die Nase, er will gegen Spenden Osterhase spielen. Die Canons der Hipstermädchen sind ihre eigene Persiflage, zwinkernd kuscheln sie sich an wehende Polyesterblusen, baumeln gegen verschwitzte Leggins. (Wir wären ja alle gern zerbrechlich.) Das schwimmende Hostel erfüllt western standards, die Lounge bleibt trotzdem unbesetzt, ein Floß in Armyfarben treibt vorbei, der Kapitän trägt Ray-ban und zeigt den Mittelfinger nur, weil sein in die Jahre gekommenes baby ihn knipst.
Wer mir zu nah kommt, muss küssen. Ich lecke Morgen in deine Augenbrauen. Die Bäume sind Vogelherbergen, eine Katze legt den Kopf schräg, wir lenken sie mit Miauen ab. Die machen Liebe, kichert es aus der Nähe, und ich denke, bei Bukowski würde das heißen, er fickte sie durch.

http://sophiamandelbaum.de/post/4931451266 http://sophiamandelbaum.de/post/4931451266 Mon, 25 Apr 2011 19:55:00 +0200



post 428949875313 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

Du brauchst niemanden, der dich rettet. Du brauchst jemanden, der dich an den Menschen erinnert, der...

Du brauchst niemanden, der dich rettet. Du brauchst jemanden, der dich an den Menschen erinnert, der du sein kannst.

http://sophiamandelbaum.de/post/4289498753 http://sophiamandelbaum.de/post/4289498753 Sat, 02 Apr 2011 20:58:00 +0200



post 426861605212 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

Trösten können kleine Dinge; ich suche nach den großen.

Trösten können kleine Dinge; ich suche nach den großen.

http://sophiamandelbaum.de/post/4268616052 http://sophiamandelbaum.de/post/4268616052 Fri, 01 Apr 2011 01:21:00 +0200



post 416529080811 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

Wir sind süchtig danach, zu verschwinden.

[Dieser Blog wächst in euren Händen, unter euren Blicken. Jedes Wort: für euch, und die Freude. Mit euch: herzhoch springen]

Schau in die Kühle. Ein Lächeln wächst ungefragt zwischen den Mündern. Etwas verschiebt sich, dieser Abend nimmt uns vorweg. Kein Donner zu hören; nur Löffelpoltern auf Glas, Paukenschlag Eis auf der Zunge und Sahnerinnsal am Hals. Es gibt nichts, was gegen Herzschwäche spricht; sie sichert das Gelände für uns. Ich wache neben dir auf dem Boden auf; wir zählen zu denen, die nachts am besten blühen. Wir zählen zu denen, die süchtig danach sind, zu verschwinden. Wenn man es sagen dürfte, ich würde sagen: In unseren Fingerkuppen schläft Licht.


Bilddank an momentofchange.
http://sophiamandelbaum.de/post/4165290808 http://sophiamandelbaum.de/post/4165290808 Mon, 28 Mar 2011 22:05:00 +0200



post 409714611510 crawl-Datum: 04.01.2012 rss Internet Archive

Melancholie ist unwiderstehlich mit ihrem dünnen Hemd und den halb geöffneten Lippen. Melancholie...

Melancholie ist unwiderstehlich mit ihrem dünnen Hemd und den halb geöffneten Lippen. Melancholie schlägt sacht gegen deine Schenkel und etwas Nasses taumelt nach unten. Melancholie legt einen Fransenschal nachlässig um deine Handgelenke, ehe sie dir ohne Vorwarnung den Mund verschließt. Walnussgeschmack. Dringlichkeit. Deine Nasenspitze glänzt von Melancholie, und du gehst ihr leicht von der Hand.
Melancholie tariert Vermissen aus und schnitzt den Morgen grobkörnig vor dein Gesicht. Ihre Schönheit wiegt schwer; sie schmeckt nach allem, was falsch ist in dir.
Melancholie bringt dir bei, alles zu verstehen und wenig besser zu machen. Mit ihr lebst du auch dieses uneingestandene Jahr.
Manchmal nimmt dein Atem zwei Stufen auf einmal, aber in ihrem Land bleibt nichts übrig, als sich zu verirren. Melancholie macht dein Herz zu einem üblen, einem unerkundbaren Ort.


http://sophiamandelbaum.de/post/4097146115 http://sophiamandelbaum.de/post/4097146115 Sat, 26 Mar 2011 02:50:00 +0100