Version vom 26.12.2014


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post 9566939187614 crawl-Datum: 26.12.2014 rss Internet ArchiveZwei werden sich nie einig sein, was ein Moment wirklich bedeutet. Was es heißt, wenn ich meine Hand... Zwei werden sich nie einig sein, was ein Moment wirklich bedeutet. Was es heißt, wenn ich meine Hand auf deine lege. Was meine stolpernden Worte bedeuten und dein Lächeln, das auf Rückzug geht. Was das Foto bedeutet, das du von mir geschossen hast, in einem unbeobachteten Moment, das Foto, das du still auf den Tisch legst, bevor du gehst, eine Erinnerung an bessere, schweigsamere Tage. Ich bin im Schreiben immer besser gewesen als im Reden. Manchmal denke ich, ich sollte stumm spielen, alles, was ich sagen will, zuerst auf Notizblöcke kritzeln und zehn Mal gegenlesen, alles Überflüssige kürzen und streichen, alles, was zu sehr nach Sehnsucht klingt, nach Brauchen, nach Einsamsein, alles, was zu sehr nach mir klingt. Alles, was mich zurück an den Rand deines Lebens rückt, irgendwo dorthin, wo die unliebsamen, sperrigen Möbel stehen, die man beim nächsten Umzug zurücklässt. Irgendwo kurz vor unbekannt, irgendwo, wo ich begreife, dass Reden ein Spiel ist, das ich nicht gewinnen kann.


post 940040738614 crawl-Datum: 26.12.2014 rss Internet ArchiveVom Anfangen. Am Anfang bin ich am besten. Wenn ich mir deine Augenfarbe noch nicht gemerkt habe, aber genau weiß, wie sonnenhell dein Haar nach nur einem Meertag ist. Wenn du behutsam eine Wimper von meiner Wange aufliest und ich meine Hand beim Pusten kurz um deine lege. Wenn mein Kopf deine Schulter berührt oder dein Knie meins und ich ein paar Stunden brauche, um mich davon zu erholen. Wenn es keinen Lärm gibt, keine Scherben, wenn auch der Platzregen mir das Lächeln nicht aus dem Gesicht spülen kann. Wenn jeder Tag- und Nachttraum bei dir ankommt. Wenn unser Lachen genau richtig klingt. Wenn mein kompliziert noch als dein sexy durchgeht. Am Anfang bin ich am besten, weil dann nur Platz ist für die guten Geister. Weil alles noch jetzt ist und nichts von gestern stört. Weil da noch so viel Platz zwischen uns ist, gefüllt mit Dingen, die du nicht von mir weißt.


post 862345652962 crawl-Datum: 26.12.2014 rss Internet ArchiveHörst du? Es gibt ja kein Papier mehr, auf dem ich schreibe, ich stelle mir nur vor, wie es wächst, wie das Weiß mich eines Tages ganz umgeben wird, wie mein Raum ausgefüllt sein wird mit allem, was ich nicht gesagt habe. Was einfach unter den Tisch gefallen, im weichen Teppich des Alltags versunken ist, in der blau gepuderten Gewohnheit, im Lächeln und Grüßen, im Essen und Schlafen des Arbeitstiers. Aber manchmal, wenn ich mich in der Feierabendsonne nach Hause taste, wenn das Licht genau richtig fällt und der Wind zart durchs Haar zaust, tauchen sie nach oben, die Buchstaben, die Sätze, die nicht sein durften. Wenn die anderen, die Fremden, plötzlich lächeln, wimpernschlaglang, die Fremden auf dem Bahnsteig, die Fremden in der Supermarktkasse, die Fremden hinter einem Tresen. Lächeln gibt es also noch. Manchmal auch Worte. Und ich lächle und spreche zurück, und ich denke, ich könnte jemand ganz anderes sein, der Mensch vielleicht, der ich in meinen Gedanken bin. Lauter. Fordernder. Furchtloser. Ich würde nicht nur Hände schütteln, sondern auch Münder küssen. Lachen und schreien. Nur Atem holen, um das Weiß des Papiers mit allem zu füllen, mit allem, was da ist, und währenddessen: sicher sein. Dass es auch dich dort draußen noch gibt. Dass du eines Tages hinter all dem Lächeln und Küssen auftauchen wirst. Dass du nicht vergessen hast, dass wir gerade erst anfangen. Dass ich bei dir nicht mehr lügen werde, wenn ich am Telefon sage: Ich bin’s. Ich glaube daran, dass es dich gibt, ich glaube daran, dass ich deinen Namen nehmen darf, wenn ich meinen eines Tages Leid bin. Ich glaube an die glatte Kühle hinter dem Spiegel. Ich Ich glaube an sonnendurchschienene Katzenohren und mehlbestäubte Finger, die sich ineinander verschränken. Ich glaube an die Möglichkeit einer guten Nacht. Ich glaube an Kuchenteig. Ich glaube an die Sagbarkeit von Freude. (Hörst du? Wir werden wachsen, weil Platz ist für uns.)


post 5378767080728 crawl-Datum: 26.12.2014 rss Internet Archivefür M. Ich erinnere dich in Schnappschüssen. Ich liege im Krankenhaus, draußen ist Sommer, drinnen wird die Luft eng, drinnen atmen die, von denen die draußen nichts wissen wollen. Drinnen erreichen mich deine Briefe, deine fein geschwungene Schrift. Du schreibst, dass das Licht nach den dunklen Jahren unfassbar sein wird. Ich glaube dir nicht, und ich tue dir unrecht. Denn du hast Recht. Ich werde jeden Tag über das Blutrot des Sonnenuntergangs staunen, über die Weite des Himmels, über Blumenfarben am Straßenrand, ich werde mit dem Wind lachen, der mir das Haar zerzaust, und ich werde verstehen, dass ich in der Dunkelheit zum Schreiben gefunden habe. Du hast die richtigen Fragen gestellt, von Anfang an, aber ich konnte nur wenige davon beantworten. Mir zerstob jeder Ausdruck, jede Metapher, die eben noch glatt auf meiner Zunge gelegen hatte. Ich konnte mich auf meine Worte nicht mehr verlassen. So sehr hast du mich aus der Fassung gebracht. Du liebst die norwegische Sprache nicht ohne Grund, denke ich heute. Tief gesprochene, fast gesungene Worte, von klarer Struktur, zurückhaltend, aber liebevoll. Ich würde gern all meine Briefe an dich neu schreiben. Würde rechtzeitig erkennen, wie viel Platz für Sorge in deinem Lächeln steckt. Ich habe dir nicht oft genug gesagt, dass du so viel mehr erreicht hast, als du glaubst. Weil du zu dir geworden bist. Du bist der schönste Mensch, den ich je gesehen habe. Und am schönsten warst du im Wort, in deinen Gedanken. Du wolltest ein Buch schreiben, und du wusstest, dass das Wichtigste die Widmung ist. Du hast jemanden geliebt, eine Liebe, die Wundbrand war. Du warst so demütig angesichts dessen, was du verloren hast. Du trugst nicht schwer an deinem Schmerz, du trugst schwer an Ungeduld, am Warten auf den Tag ihrer Rückkehr. Für diese Frau hättest du alles hinter dir gelassen. Ich habe dir nicht gesagt, dass ich gern diese Frau gewesen wäre. Oder wie sehr ich mich in deine Angst vor Belanglosigkeiten verliebt habe. Oder dass du immer Teil von mir sein wirst. So ist das eben mit den Menschen, die im Dunkeln deine Hand nehmen. Wenn du nichts mehr sehen kannst, wirst du umso stärker fühlen. Ich habe deine Stimme verloren, weißt du. Es ist zu lange her. Ich würde sie unter vielen nicht wieder erkennen. Aber ich wünsche mir, dass ich das nicht muss. Ich wünsche mir, dass wir uns eines Tages an irgendeinem Bahnhof gegenüberstehen, müde von der Fahrt und vom Vorfreuen, und dass ich dir sagen kann: Ich habe es damals nicht gewusst, aber du hast mir das Leben gerettet.


post 3211846121330 crawl-Datum: 26.12.2014 rss Internet ArchiveAch, Hildesheim. Als ich hier anfing, sah ich aus wie ein Junge, bleich und langhaarig und an den falschen Stellen zu dünn. Ich stakste durchs Studentenwohnheim, behindertengerecht nannten sie das, dass der dunkle Flur sich ohne Treppen nach oben schraubt, eine Mischung aus Jugendherberge und Science-Fiction aus den Fünfzigern. Ich saß in der Uni und lernte, dass man nachmittags ruhig den ersten Sekt aufmachen kann und Luftgitarren ein ernst zu nehmendes Seminarthema darstellen. Das hier hätten doch Leute wie ich sein sollen, stille Stubenhocker, und dabei ging es mit dem Saufen, dem Lautsein erst los, ich saß mit Notizbuch und großen Augen in Kellern, auf Dachböden und in Seminarräumen; hätte es einen Panikknopf gegeben, ich hätte ihn nicht loslassen können. Dieses Herzrasen, als es anfing mit dem Texte vorlesen, den Kopf zwischen den Schultern nach unten geschraubt. Als es damit anfing, sich ernst zu nehmen für das, was man tut. Das Schreiben zum ersten Mal „Arbeit“ nennen. In Hildesheim zu studieren, war, wie in Therapie zu sein. „Wie lange bist du schon hier?“ „Wie lange musst du noch?“ „Was macht dieser Text emotional mit dir?“ Manche waren vorher schon krank gewesen, manche wurden es erst, und an manchen schienst du abzuprallen: sie fläzten sich auf deinen Wiesen, stapften unverdrossen durch deinen Regen, mit ihren Hipsterjeans und Ballettschühchen, mit offenen Haaren und Hemden. Deine Ureinwohner sind Alte, die aufs Sterben warten oder Teenager mit Zahnspangen, die sich prügeln wollen, dazwischen gibt es nichts, nichts als Studenten, die verzweifelt versuchen, sich nicht zugehörig zu fühlen und in irgendeinem Supermarkt frisches Gemüse zu finden. Alles hier schaut abgestanden aus, ich musste Kassiererinnen erklären, was Basilikum ist und hätte mich danach gern betrunken, ein weiteres Mal. Ich litt an dir wie ein Hund und bekam Carepakete, von Freunden und Fremden, ich habe in meinem Wohnheimzimmer eindeutig zu viele Jungs geküsst und zu wenige Mädchen. Ich habe ein Menschenleben gerettet und das einer Ente nicht retten können, die deine Einheimischen umgebracht und gegrillt haben, Hildesheim, an deinem beschaulichen See, wo immer mal wieder ein Betrunkener untergeht; Holzkreuze erzählen von René oder André, während nebenan Kopfsprünge geübt werden. Wer die schlimmste Vorstellung von Provinz mit seinem Alter malnimmt, der weiß, wie es hier aussieht. Es läuft sich, es denkt sich wie durch Sirup durch deine Straßen und Tage und ich habe mich dafür gehasst, genau das zu brauchen, diese ins Minus gedrehte Geschwindigkeit. Ich brauchte diese drei Jahre, in denen ich lachen und weinen lernte, in denen ich aus dieser unsäglichen Taubheit klettern lernte, die mich ausgefranst hatte. Du zwingst zur Nähe, Hildesheim, du zwingst zu ausgiebigsten Tee- und Bierstunden in WG-Küchen, weil deine Cafés, deine Clubs ihre Namen nicht verdienen. Aus Verbündeten gegen dich werden Freunde, man liegt sich hier rekordschnell in den Armen, jedes Stück Wärme wird geschluckt, damit es sich im Magen hält, auf dem Heimweg. Hinter mir liegen drei Jahre voller Gespräche, eine Tiefe, die ich in Berlin erst suchen muss, weil man hier nicht so leicht in fremde Küchen darf, weil man hier Mittel- und Knotenpunkte suchen muss, Zwischenorte, an Haltestellen gelegen. Man wird dir nicht gerecht, Hildesheim, weil man sich an dir aufreibt, dich hassen muss und trotzdem an dir gesund wird. Und es braucht Berlin nicht, weil da alle hingehen und immer noch glauben, bei ihnen wäre das neu. Es braucht Berlin, weil ich ein Zuhause brauche, Hildesheim, und dafür taugst du einfach nicht. Ich lasse zentimeterweise Haar zurück, eine Handvoll Illusionen und die Gewissheit, dass du alles verändert hast. Hab es gut, Hildesheim. Danke für alles.


post 554899603921 crawl-Datum: 26.12.2014 rss Internet Archivefür Ron Winkler Das Meer schickt Blaufrequenzen aus. Dieser Tag ist kein Farbfehler; wir staunen Küsten und inhalieren Wolken. Möwenrundflug statt Mittagsschlaf. Wir werden vom Wind bestürmt; unsere Sohlen erzählen sich Sandgeschichten, erzählen von Eiscreme und Sonnenkugelbäuchen. Auf unserer Decke liegen Wäschenester; Fische sind uns voraus. Wir umschwimmen die Quallen mit ihren aufgeschwemmten Gesichtern, wir betasten Muschelnähte und lassen uns von Marienkäfern trocknen; sie arbeiten im Schichtdienst auf unseren Armen. Der Horizont kocht Schiffsmeldungen ein: Heute sammeln wir Himmelsrichtungen. Bilddank an Lucy Muskalunge.


post 42400495215 crawl-Datum: 26.12.2014 rss Internet ArchiveMein Herzverschluss klemmt. Mein Herzverschluss klemmt.