drama?

Ze Zurrealism Itzelf


Ich schlafe im Gehen ein Stück; es ist, als wäre um mich herum Berlin untergegangen, die Autodächer in Blättern ertränkt, jeder Gedanke in Goldlaub erstickt. Vielleicht bin ich von einem zum nächsten Schatten gereist, auf der Suche nach einem Zweitort, Fluchtort, und hatte ich einen gefunden, blieb er ungenutzt. Damit ich daran glauben konnte, aufgehoben zu sein.

Vielleicht war ich Milchschaummensch, bleich und süß und immer kurz vorm Verschwinden. Ein Umriss, pathologisches Vokabular, ein Leben in Herzsätzen, auserzählter Verzweiflung. Das Schicksal zwingt dich nicht, tapfer zu sein, das musst du immer noch selbst schaffen. Dem Krieg in dir nicht den Krieg erklären, sondern alles mitnehmen, alles, was du bist, in der Tasche geschultert, weil es ohnehin immer bei dir sein wird. Wenn du beginnst, deine Angst anzuerkennen, wird sie eines Tages ihren Hut nehmen. Weil ihr genug voneinander gelernt habt.

Ich mochte das, Steppenwolf sein, die notorisch Unverstandene, ich mochte das, im Schreiben die Welt nachzuzeichnen, die in mir auf Grund gelaufen war. Ich wollte diese Müdigkeit nicht, die von außen kommt, von schlecht riechenden, schlecht gelaunten Menschen, von überstündigen Tagen. Ich wollte nur meine Müdigkeit, die von innen aufsteigt; ich war mir Feind genug. Ich reichte völlig aus, damit es mir schlecht ging.

Wer ernstlich krank ist, lernt, zu simulieren, am Bildrand zu bleiben; es wird immer jemanden geben, der glaubt, dass hier Rettung vonnöten wäre. Detailermittlung im Herz: den Drang niederringen, dich anzurufen. Ich würde sagen, es geht nicht ohne dich, und du würdest verstehen, so, wie du immer verstanden hast. Ich würde den Preis dafür bezahlen, von dir gefunden worden zu sein. Wir würden uns in Geborgenheit sprechen, Gefühlsgang rückwärts, aber das wäre nicht jetzt, denn jetzt ist es, als würde ich dich nicht mehr kennen.

Mit noch verschlafenen Augen an den Ort fahren, wo wir uns zuletzt begegnet sind. Als wäre etwas eingefroren, als würdest du noch immer dort am Bahnsteig stehen, mit diesem verunsicherten Lächeln. Als ob du mich nicht glauben könntest.
Zuletzt waren wir Sommer, jetzt gibt es gelbe Blätter und Kastanien; ich sitze neben Tabakresten und der letzten Weinflasche der Saison, den Blick auf Passanten gerichtet. Jeden, der suchend zwischen den Ausgängen pendelt, will ich mit deinem Namen ansprechen. Neuerdings brennen meine Augen beim Weinen, die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit habe sich verändert, sagte der Arzt, und ich frage mich, was du sonst noch verändert hast.
Die Eisfrau hat Freizeit und telefoniert; die letzten Wespen prallen gegen ihr verwaistes Stück Kuchen. Auf den Touristenbooten stapeln sich Plastikstühle; die Enten tragen Herbstgrau und drehen ab, als sie erkennen, dass von mir nichts zu erwarten ist. Der Rasen wird für die kalten Tage kurz geschoren; kurz vor eiskalt stehe ich auf, schaue mich immer wieder um, bis die Bahn sich mit mir in Bewegung setzt. Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass jetzt die Zeit ohne dich beginnt; eine Zeit, die zeigen muss, wer wir füreinander wirklich waren. Und sind.

keep me safe.

Fotograf: Pierre Horn @Schall und Schnabel.

we both know I’ll never be your lover
I only bring the heat, company under cover,
filling space in your sheets.*

Vielleicht sind wir in der Küche, knallen Salz und Pfeffer auf den Boden, presst sich der Tisch hart gegen mich. Schweißsplitter über unseren Gesichtern, in unseren Händen, die einfach tun, einfach handeln und greife. Ich bin irgendwo weit oben, keine Ahnung, wo er geblieben ist.
Zuletzt werden wir doch nur wieder zwei Klumpen Fleisch, die aneinander prallen, eine Abfolge klatschender Geräusche. Ich schieb mir die nassen Strähnen aus dem Gesicht, sein Rücken: ein Striemengeheimnis. Vielleicht habe ich chemische Formeln hinein gekratzt, eine Formel für Unglück.
Und von draußen der Quecksilbermond, metallischer Zungenbelag und dieses schrecklich gescheckte Plumeau. Vielleicht bin ich giftig, flüstere ich ihm ins Ohr, sein Seufzen verliert sich kurz vor dem Boden.
Später: ein singendes Stechen, eine einzige Signalgebung; ich stelle mir vor, dass bei jedem Schmerzintervall LED-Leuchten aufscheinen, mein Körper ein Lichtgewitter in der Dunkelheit des Zimmers. Der neue Tag wird ein déjà-vu sein, eine Folge von Pflichten, die keine sind. Keuchen mischt sich ins Atmen, ein zu schneller Loop, ich weiß nicht mehr, ob Leben oder Sterben Angst macht, aber fest steht, wer auch immer bei mir ist, darf nicht mehr weg gehen. Heute Nacht gehört mein Körper dem, der als erster danach greift; deine Chance, sage ich in sein Schnarchen hinein, deine Chance und irgendwas erreicht ihn im Traum; er runzelt die Stirn und dreht sich weg.


* lyrics from Daughter: Candles