Hej.
Früher, lang genug, war ich Nachtkurier. Flüsterte ins Funkgerät, ohne zu wissen, wer zuhört. Manchmal wollte ich nur in neue, in andere Leben schlüpfen, etwas Unbekanntes fühlen, mit fremder Stimme sprechen. Manchmal wollte ich nur, dass jemand zuhört, und hier, an diesem Ort, gab es Nachrichten, gab es Telefonate, gab es Menschen, die mit mir durch die Jahre gingen, die mich hielten, als ich das nicht mehr selbst konnte. Ich sammelte mit ihnen den Mut, den es brauchte, um vorwärts zu kommen, und dann glitten ihre Hände aus meinen. Es heißt immer, dass sich erst in der Not zeigt, auf welche Freunde Verlass ist, aber manchmal zeigt es sich auch im Glück. Manchmal zeigt sich, dass jemand es nicht ertragen kann, wenn du drauf und dran bist, froher zu sein als er.
Und mir fiel auf, dass ich niemandem dieser Menschen erzählt habe, welches Buch mich immer begleitet, egal, wohin ich gehe. Oder dass mein Musikgeschmack, wenn niemand zuhört, ziemlich peinlich ist. Oder dass ich neue Profilbilder poste, wenn ich mich gerade überhaupt nicht leiden kann und ein freundliches Wort brauche, aber nicht direkt danach fragen kann. Dass ich noch immer mein allererstes Kuscheltier habe und mich weigere, es in Rente gehen zu lassen. Dass ich gern in einer WG leben würde, mit Mädchenfreundinnen, die ich nie hatte. Die mir, wenn ich krank bin, Suppe kochen und mich, wenn ich gesund bin, auf Partys mitzerren, über die ich vorher die Nase rümpfen und von denen ich danach wochenlang schwärmen werde. Dass ich gern schnelle Filme sehe und dass ich niemanden kenne, der dreckiger lacht als ich. Dass ich nicht nur eine von denen bin, die man an die Hand nehmen muss, weil sie sich vieles noch nicht trauen, sondern auch eine von denen, die viel zu geben haben.
Jemand hat mir mal gesagt: „Wenn du weißt, dass ich deine Texte mag, weißt du schon ziemlich viel über mich.“
Hej. Ich weiß schon ziemlich viel über dich. Wann gehen wir einen Kaffee trinken?