drama?

Ze Zurrealism Itzelf


read me right.

Der Bildschirm meine Weltkarte, noch immer, ich betaste mit den Fingern alte Pfade, gehe im Staub verloren. Vor zehn Jahren hat das angefangen, mit dem Internet und mir, hat das angefangen mit den fieberhaften Unterhaltungen: Buchstaben und Telefonnummern eintippen, die Fremdheit mit sich überschlagender Stimme überwinden. Und es fühlte sich an, als wären alle anderen genauso sehnsüchtig wie ich, auf der Suche nach einem Gefühl, das sie einfach anfallen und nicht mehr weggehen würde, das die genau richtige Hand in ihre schieben würde.

Dass alle anderen dieses Gefühl nicht nur in Tastaturen tippten, nicht nur in Telefonhörer sprachen, dass sie es mit sich nach draußen trugen, in Regen und Schnee und in die Sommerwärme dieses oder eines anderen Kontinents, war mir gleich; ich versteckte mich, mal hinter Grippe, mal hinter Geldsorgen, und ich kam damit durch, Geistermädchen zu sein, versteckt in schmalen Zimmern, hinter Bücherwänden und der genau richtigen Musik.

Ich dachte, dass ich einfach immer damit weitermachen könnte, Menschen in mein Bett einzuladen und morgens entschuldigend meine Sammlung von Ausreden vorzuzeigen, die Tür zwei Mal abzuschließen und mich nicht einlassen zu müssen, egal, auf was. Und währenddessen würde die Geschwindigkeit der Welt gedrosselt, währenddessen würden die Menschen draußen auf der Straße wie durch Sirup gehen und sprechen. Alles würde darauf warten, dass ich die Gewichte an den Füßen, die Gewitter im Kopf abgeschüttelt hätte und endlich mitmachen, mitspielen könnte, im Regen, im Wind. Dass ich ungerührt in Zügen und Flugzeugen sitzen würde, dass ich morgens schluppenblusig im Büro sitzen und abends zufrieden meine Kontoauszüge beäugen würde. Dass ich lächeln und schlafen gelernt hätte und alles andere, was so als selbstverständlich durchgeht.

Und jetzt ist es, als hätten die anderen die Sehnsucht verlernt; Sehnsucht ist jetzt ein verbotenes Wort, ein übel zugerichteter Traum.

come find me here.

*

Auf meinen Unterarmen leuchten Telefonnummern auf, schimmern die Namen vergangener Jahre, Namen der Menschen, die mich retten wollten. Er kann es noch, dieser Körper, er kann seine Farbe wechseln, wandbleich werden oder blau anlaufen auf blauem Teppichboden. Er vergisst nicht, er braucht nur ein falsches Wort, einen Grenzton, eine Feindberührung, um wieder von vorn anzufangen​. Ein kalter, dunstiger Geschmack im Mund und plötzlich ist alles schwarz, ohne Abstufungen, plötzlich gibt es in dieser Wohnung nur noch Dunkelheit, ich schreie, aber weil ich nichts mehr höre, könnte es genauso gut sein, dass das nicht wahr ist. Da sind meine Schultern, da sind deine Hände; ich taste mich an dir entlang zur Wohnungstür, die Treppen hinunter, über den buckligen Asphalt, stelle mir vor, wie die Bäume am Straßenrand aussehen, ihre schadhafte Rinden, ihre verzweigten Kronenerzählungen​​.

Irgendwann bald wird es wieder hell sein, wird es ganz hinten am Horizont wieder bunt aussehen, irgendwann bald werde ich wieder wissen, wie Schlafen geht, irgendwann bald werde ich das Haus verlassen und lächeln. Mein Leben ist wie meine Geschichten: unfertig, atemlos, für die meisten unverständlich. Irgendwann bald wird mir niemand glauben, dass ich immer noch ich bin, ein Höhlenkind, das nie gelernt hat, sich in warmen Tagen und Worten zusammenzurollen. Stillzuhalten, weil irgendwann bald vom Glück nur noch Fußabdrücke übrig sein werden, blasse Konturen vor einem überschäumenden Himmel.

Treibsandmoment

Und dann stehst du in einer Bahn, unter schlecht gelaunten, schlecht riechenden Menschen, starrst ins blasser werdende Licht und erinnerst dich, dass dort draußen alles weitergeht, egal, ob du an der richtigen Haltestelle aussteigst oder stundenlang durch die Stadt fährst, immer im Kreis - in der Richtung, die deine Gedanken nehmen, die unbeantworteten Fragen in deinem Kopf.

Was, wenn du nicht ausreichst, nicht für das duldsame Lächeln in einem Büro, nicht für eine Hand, die in deiner liegen bleibt, nicht für einen Abschied vom Wachliegen, Nacht für Nacht, nicht für das Selbst- und das Vorsorgen; nicht für den Mut, den es braucht.

Was, wenn du die Notfalltasche unter deinem Bett nicht antastest, weil du gar nicht mehr anders kannst als zu flüchten, sobald dir jemand zu nah kommt. Was, wenn du nur dich noch ein paar Schrecksekunden lang ans Lachen wagst, das laute, dreckige, unzensierte. Was, wenn du begreifst, dass du seit Jahren vor den gleichen Fragen wegläufst.

Was, wenn du den Staub von Gestern nicht abschütteln kannst, weil du versuchst, so zu tun, als wäre alles nicht so schlimm gewesen. Als hätte es keinen Schmerz gegeben, gestern, als hätte es keines der großen Worte gegeben, vor denen du wegläufst, aus Angst, dass du nicht mehr aufstehen kannst, sobald sie einmal in deinem Mund liegen, schwer, scharfkantig. Was, wenn sie genau deswegen nicht aufhören, diese Treibsandmomente, in denen du nur zuschauen kannst, wie die Welt dich überholt, dich zurücklässt, irgendwo dort, wo dich niemand mehr kennt.

Bilddank an aspire the senses.