read me right.
Der Bildschirm meine Weltkarte, noch immer, ich betaste mit den Fingern alte Pfade, gehe im Staub verloren. Vor zehn Jahren hat das angefangen, mit dem Internet und mir, hat das angefangen mit den fieberhaften Unterhaltungen: Buchstaben und Telefonnummern eintippen, die Fremdheit mit sich überschlagender Stimme überwinden. Und es fühlte sich an, als wären alle anderen genauso sehnsüchtig wie ich, auf der Suche nach einem Gefühl, das sie einfach anfallen und nicht mehr weggehen würde, das die genau richtige Hand in ihre schieben würde.
Dass alle anderen dieses Gefühl nicht nur in Tastaturen tippten, nicht nur in Telefonhörer sprachen, dass sie es mit sich nach draußen trugen, in Regen und Schnee und in die Sommerwärme dieses oder eines anderen Kontinents, war mir gleich; ich versteckte mich, mal hinter Grippe, mal hinter Geldsorgen, und ich kam damit durch, Geistermädchen zu sein, versteckt in schmalen Zimmern, hinter Bücherwänden und der genau richtigen Musik.
Ich dachte, dass ich einfach immer damit weitermachen könnte, Menschen in mein Bett einzuladen und morgens entschuldigend meine Sammlung von Ausreden vorzuzeigen, die Tür zwei Mal abzuschließen und mich nicht einlassen zu müssen, egal, auf was. Und währenddessen würde die Geschwindigkeit der Welt gedrosselt, währenddessen würden die Menschen draußen auf der Straße wie durch Sirup gehen und sprechen. Alles würde darauf warten, dass ich die Gewichte an den Füßen, die Gewitter im Kopf abgeschüttelt hätte und endlich mitmachen, mitspielen könnte, im Regen, im Wind. Dass ich ungerührt in Zügen und Flugzeugen sitzen würde, dass ich morgens schluppenblusig im Büro sitzen und abends zufrieden meine Kontoauszüge beäugen würde. Dass ich lächeln und schlafen gelernt hätte und alles andere, was so als selbstverständlich durchgeht.
Und jetzt ist es, als hätten die anderen die Sehnsucht verlernt; Sehnsucht ist jetzt ein verbotenes Wort, ein übel zugerichteter Traum.